Zwischen Visionen und Pragmatismus
Der Studierendenrat kann zwar keine verbindlichen Gesetze erlassen, in manchem ähnelt er trotzdem der grossen Politik. Ausblick vom Hauptgebäude aufs Bundeshaus. bild: universität bern
Im März stellt sich der Studierendenrat der SUB zur Wiederwahl. Doch was haben die einzelnen Fraktionen in den letzten zwei Jahren erreicht? Und wie geht es nun weiter? Wir haben uns bei ihnen umgehört.
In einem Punkt sind sich alle einig: Früher wurde kontroverser diskutiert. Doch bereits in der Frage, woher diese Kulturveränderung im Studierendenrat komme und wie sie zu bewerten sei, herrscht Uneinigkeit. Womöglich läge es an den vielen Mitgliedswechseln, vermutet etwa Selma Kuratle vom Sozialdemokratischen Forum (SF). Seit sie vor zwei Jahren in den Rat gewählt wurde, hat sich der Rat mindestens zur Hälfte ersetzt. «Wer neu im Rat ist, schaut zuerst wie das Ganze funktioniert, bevor er_sie einen Vorstoss lanciert.» Der Rat mute deshalb zuweilen etwas träge an, ein Zustand, der Selma Kuratle nicht gefällt: «Wir dürften ruhig noch politischer werden und provokativere Vorstösse lancieren».
Anders sieht dies Ratspräsidentin Corina Liebi von den jungen grünliberalen (jglp). Liebi sitzt seit knapp fünf Jahren im Rat und erinnert sich noch gut an ihre Anfangszeit, als die Sitzungen manchmal bis Mitternacht dauerten. Liebi ist froh, hat sich das Klima verändert. Sie sagt: «Es wird weniger ideologisch argumentiert». Ihr gefalle die Haltung, dass man gemeinsam schaue, was im Bereich des Möglichen liegt und dann versuche, den Unibetrieb zu optimieren. Als Beispiel nennt Liebi einen Vorstoss der jglp mit dem Vorschlag, dass die Unibibliothek auf die Ausgabe von Fristenzetteln verzichten soll. Der Vorstoss kam durchs Parlament und die zuständige Person im Vorstand wurde aktiv. Sie konnte die Bibliotheksleitung von dieser Anpassung überzeugen. «Damit war allen gedient.»
Im Rachen der Realpolitik
Tatsächlich ist es diese Art von Vorstössen im Studirat (von denen die jglp eine ganze Reihe produzierte), die am ehesten von Erfolg gekrönt sind: Konkrete, kostengünstige Massnahmen, an deren Umsetzung sowohl die SUB, wie auch ihre Verhandlungspartner_innen ein Interesse haben. Dies liegt daran, dass das Exekutivgremium, der SUB-Vorstand, bei vielen Vorstössen gar nicht souverän entscheiden kann, ob und wie diese umgesetzt werden – selbst wenn er vom Rat einen klaren Auftrag hat. Geht es um Mensamenüs, Mikrowellen oder Studiengebühren, kann der Vorstand zwar den Auftrag fassen, die zuständigen universitären oder hochschulpolitischen Stellen zum Handeln aufzufordern, ob diese allerdings mitspielen, ist ungewiss. Der Vorstand kann also Telefone tätigen und Positionspapiere verfassen, eigenmächtig Positionen durchsetzen kann er aber nur, wenn diese den eigenen Betrieb oder das eigene Budget betreffen. Deshalb sind es wohl auch Themen wie die SUB-interne Geschlechterquote, das Unifestival, Budgetfragen oder Vorstandsernennungen, welche im Studirat am heftigsten debattiert werden.
Viel Zeit in Anspruch nehmen auch reglementarische Fragen, beispielsweise zum Sitzungsablauf oder zur Verteilung der Redezeit, obwohl sich manch eine_r wünscht, dass dies anders wäre. Beispielsweise Jonas Aegerter, der seit eineinhalb Jahren für die jungen grünen (jg) im Rat sitzt. Er sagt: «Manchmal kommt es mir vor, als seien wir im Rat hauptsächlich damit beschäftigt, die Maschinerie des Studirates zu verbessern. Es werden zu viele technische Fragen diskutiert.» Die Dinge nicht einfach so hinnehmen wie sie sind, es wenigstens zu probieren. Für Jonas Aegerter wäre dies eigentlich das Leitmotiv seiner Politik. Doch manchmal stellt er sich nach der Ratsdebatte die Frage: «Wo bleiben die Visionen?»
Rechte Bedeutungslosigkeit
Andere Sorgen hat derweil die Ratsrechte. Während der Jungfreisinn (JF) mit seiner Bedeutungslosigkeit kämpft und in der vergangenen Legislatur keinen einzigen Vorstoss durchgebracht hat und die vom VSS vorgeschlagene und vom Rat akzeptierte Anpassung der VSS-Finanzierung als Highlight der Legislatur ausweist, treten die politisch unabhängigen Wirtschaftswissenschaften im Rat (WIR) auf Ende Legislatur geschlossen zurück. «Wir treten nicht mehr an», lässt deren Vertreter Johannes Lehmann verlauten. Die Hälfte seiner Mitstreiter_innen seien schon gegen das Ende der Legislatur in den Hintergrund getreten. Die zwei verbliebenen Vertreter_innen haben mittlerweile ihren Bachelor abgeschlossen und sind nicht mehr an der Universität engagiert. In den vier Jahren seit der Listengründung hätten sich die WIR erfolgreich für die Interessen der Wirtschaftsstudierenden einsetzen können. So sei es unter anderem den WIR zu verdanken, dass sich die Debattenkultur «versachlichte» und weniger Vorstösse lanciert würden, welche nicht umsetzbar seien. «Uns ist ein effizienter Ratsbetrieb wichtig», meint Lehmann. «Mit ideologischen Vorstössen haben wir uns deshalb bewusst zurückgehalten.»
Bleibt die Christliche Studierendenvertretung (W7). Hier übt man sich in deutlicher Selbstkritik: «Wir haben in den letzten zwei Jahren relativ wenig erreicht», meint W7-Vertreter Joel Hurni. Er spricht gar von einer deprimierenden Legislatur. Tatsächlich hat die W7 in der vergangenen Legislatur keinen einzigen Vorstoss durchgebracht. Die Motion der W7, alle Vorlesungsräume in Braille-Schrift zu kennzeichnen, wurde vom Rat bachab geschickt. Als Grund für die durchzogene Bilanz gibt Hurni die mangelnde Erfahrung der beiden Fraktionsmitglieder an: «Unsere Fraktion bestand in der ersten Hälfte der Legislatur aus zwei frischen Personen, welche beide wenig von Reglementen und von der SUB verstanden. Wir übernahmen deshalb häufig die Rolle der Oppositionsfraktion.» Allzu wohl scheint es der W7 in dieser Rolle allerdings nicht zu sein: Um sich aus dem Schicksal einer Zwei-Sitz-Partei zu befreien, will sie in diesem Jahr gleich mit acht Personen zur Wahl antreten. Man darf also gespannt sein.
Der Studierendenrat ist das Parlament der SUB. Er legt die politische Ausrichtung der SUB fest und wählt den SUB-Vorstand, sowie die SUB-Delegierten in universitären Positionen. Der Rat wird alle zwei Jahre von den SUB-Mitgliedern, den Studis der Uni Bern, gewählt. Die nächste Wahl findet diesen März statt.
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Dieser Text erschien in der bärner studizytig #15 März 2019
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