Nach 40 Stunden war Feierabend

Wenn die Mensa zur Konzerthalle wird

19. Dezember 2022

Von

Das Campusfestival 2022 ist Geschichte: Ein Blick hinter die Kulissen

1099 Tage später ist es wieder so weit: Die Türen öffnen sich. 3’000 Besucher*innen stürmen auf das Gelände. Es wird gesungen, getanzt, getrunken und erbrochen. Neun Stunden später sind alle wieder weg und die Sonne geht langsam auf. Das war’s.

07:52

Von vorne: Es ist Freitag, der 21. Oktober am Morgen und ich bin im «8i-Zug» nach Bern. Das Wochenende, auf das ich seit 10 Monaten warte, ist da. Morgen findet das Campusfestival statt. Ich spüre die fragenden Blicke der Personen um mich herum. «Was will der denn im Oktober mit Festival-Ausrüstung im Zug?» Zugegeben: Die beiden Schlafmätteli, der Schlafsack und die zusätzliche Regenjacke gehören nicht zur Grundausstattung meines Lebens an einem verregneten Herbstmorgen. Aber ein Universitätsgelände in ein Festival umzuwandeln, braucht Ganzkörpereinsatz. In 36 Stunden ist Türöffnung und alles muss stehen.

09:07 – 03:25

Jetzt geht’s los: Die Garderobenelemente sind da. Was in den restlichen Stunden vom Freitag geschieht, ist nur noch wage in meiner Erinnerung. Langsam, aber sicher verlassen die letzten Studis die Hörsäle. Ab 18:00 gehört das Areal uns. Die zahlreichen Helfer*innen sind da und wir stellen 300 Meter Baugitter auf. Ein Monsunregen begleitet uns netterweise höchst motiviert. Mit einer kleinen Party feiern wir im Organisationskomitee bis weit nach Mitternacht, was sich im Nachhinein als etwas SUB-optimal herausstellte.

 

«Spätestens jetzt realisiert die Nachbarschaft, dass ihr Dornröschenschlaf diese Nacht wohl ausbleibt.»

07:35 – 20:00

Schlafmätteli und Schlafsack hätte es beinahe nicht gebraucht. Nach einer Nacht ohne Tiefschlaf beginnt der Festivaltag. Gegen Mittag sieht die Unitobler fast aus wie der Güsche. Zwei Festzelte schmücken den Aussenbereich, in der Mensa und in der Einstellhalle steht je eine Bühne. Um 17:01 drehen die Tontechniker*innen die Regler hoch. Spätestens jetzt realisiert die Nachbarschaft, dass ihr Dornröschenschlaf diese Nacht wohl ausbleibt. Die nächsten zwei Stunden stellten sich als die stressigsten des gesamten Festivals heraus: Sicherheitsbriefings, Kontrollrundgänge und Telefonate wie im Callcenter kämpfen gegenseitig um Aufmerksamkeit. Dass der Quartierverein im Platanenhof gerade jetzt einen Kuchenwettbewerb unter Scheintoten durchführt, ist der absolute Höhepunkt. Wer den besten Kuchen hatte, habe ich dann leider – oder zum Glück – verpasst.

20:01 – 04:45

Türöffnung. Mir wird oft nachgesagt, ich sei kein emotionaler Mensch. Das mag auch stimmen. Als aber die erste Person das Ticket hinhält und durch die Tür kommt, muss ich mir das Augenwasser zurückhalten. Über zehn Monate Planung und die 24/7-Gedankengänge haben sich gelohnt: Alles steht bereit. Das freundliche Lächeln der ersten Besucherin sehe ich noch heute vor mir. Ab 23:00 ist die Hölle los. Bier fliesst in Strömen, gleich springt Opération Zéro auf die Bühne und die Leute stehen bis zur Post Schlange. Ein spezieller Gruss geht an dieser Stelle raus an den Typen, der sich bei der Eingangskontrolle hinsetzt und einschläft. Der Vorglüh-Rausch muss ja schliesslich irgendwo ausgeschlafen werden. Es ist 00:45. Eine Ambulanz holt die erste Alkoholleiche ab. Glücklicherweise ist es der einzige Rettungseinsatz in dieser Nacht, auch wenn augenscheinlich Dutzende einer Kochsalzlösung-Infusion nahe sind.

 

04:52 – 09:15

Um 04:52 verlässt die letzte Besucherin das Campusfestival 2022. Direkt wird der Bierhahn ein weiteres Mal angezapft und wir stossen an. Nach dem dritten Fübi ruft wieder die Arbeit. Es wird aufgeräumt, abgebaut und von Bildern im Kopf erzählt: Was in dieser Nacht auf dem Unigelände für Geschichten entstanden sind, ist jenseits jeglicher Vorstellungskraft. Mögen die Zungenkämpfe auf der Treppe noch lange anhalten… Um 09:15 sehen die Hörräume wieder aus, als kämen nächstens ausgelaugte Studis in eine Vorlesung. Aber das Gelände ist leer und auch die meisten Helfenden treten langsam den Heimweg an.

09:30 – 12:45

Die Festzelte sind abgebaut, die Mensa wieder leer und 300 Meter Zaun und Sichtschutz mehr oder weniger mühsam eingesammelt. Langsam, aber sicher macht sich ein ungemütliches Gefühl in mir breit… «Das war’s», flüstert mir eine Stimme. Auch die Augen nehmen das Gleiche wahr: Alles ist wieder wie am Freitag. Das Campusfestival 2022 ist Geschichte.

 

«Müde, beschwipst und wahnsinnig glücklich. Nach 40 Stunden ist Feierabend.»

13:00 – 17:42

Feierabend, jetzt aber wirklich. Hoch übermüdet und glücklich greifen wir zum vorerst «letzten Bier». Schlussendlich waren es vier. Wir sitzen in der Sonne und erzählen weiter von gesichteten Eindrücken. Die Themen der Gespräche werden immer abstruser. Wir schreiben dies den sauerstoffarmen Gehirnen zu. Um 17:42 sitze ich schliesslich wieder im Zug. Müde, beschwipst und wahnsinnig glücklich. Nach 40 Stunden ist Feierabend.

0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich zu:
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments