«Menstruation betrifft nicht nur Frauen»

Natascha Flückiger, SUB-Vorständin

13. Dezember 2021

Von

Schon entdeckt? Auf ausgewählten WCs findet ihr seit Semesterbeginn Tampons und Binden. Dabei geht es um ein uraltes Tabu. Um Gleichstellung. Und um die Sensibilisierung von denen, die nicht menstruieren. Natascha Flückiger, SUB-Vorständin, im Interview.

Im Bundeshaus, brandaktuell. Eine Motion will die Mehrwertsteuer der Menstruationsprodukte von 7% auf 2.5% senken. 7% ist eigentlich für Luxusgüter vorgesehen.

Im Studierendenrat der Uni Bern, neun Monate zuvor.  Das sozialdemokratische Forum reichte eine Motion zu kostenlosen Menstruationsartikeln ein. Die Motion wurde angenommen. Infolgedessen nahm der SUB-Vorstand Kontakt mit der Abteilung für Gleichstellung und der Abteilung «Betrieb und Technik» auf. Und so ist das ganze Anliegen – relativ flott und unkompliziert – ins Rollen gekommen. Die Testphase findet dieses Semester in WCs der Unitobler statt.

Deine Periode setzt ein, aber du hast keine Menstruationsartikel dabei. Was tust du?

Das ist ein mühsames Szenario. Häufig wird mit Menstruationsartikel im Versteckten «gehandelt». Leute geben sie sich unter der Hand. Diese Heimlichtuerei fährt mir unter die Haut. Denn es geht dabei ja nicht nur um die Menstruationsprodukte, sondern auch darum, dass Menstruation allgemein mit Schweigen behaftet ist. Viele denken, sie müssen gleichbleibend funktionieren.

Deshalb habt ihr eine Initiative ins Leben gerufen.

Genau. Das Ziel ist es, auf allen WCs der universitären Gebäude kostenlose Tampons und Binden zur Verfügung zu stellen.

Welches Problem wollt ihr damit angehen?

Rund die Hälfte aller Studierenden bekommen einmal im Monat die Tage. Und trotzdem ist «Menstruation» noch immer ein mit Scham und Ekel behaftetes Tabuthema. Es geht darum, dieses Tabu zu brechen. Des Weiteren wollen wir die Geschlechterbinarität in Frage stellen. Denn Menstruation betrifft nicht nur Frauen, es gibt auch trans Männer oder nicht-binäre Menschen, die menstruieren. Menstruationsartikel gehören deshalb auch auf Männer-WCs.

«Das Ziel ist es, auf allen WCs der universitären Gebäude kostenlose Tampons und Binden zur Verfügung zu stellen.»

Was hat das mit Gleichstellung zu tun?

Sehr viel! Menschen, die menstruieren, gehören nun mal zu den Personen, die vermehrt mit Diskriminierung zu kämpfen haben. Vor allem Frauen, aber nicht nur.

Wie reagieren Menschen auf die Initiative?

Um Rückmeldungen zu erhalten, läuft momentan eine Umfrage. Die Rückmeldungen sind bis anhin positiv. Die Frage, ob die Menstruationsartikel auch auf Männertoiletten zur Verfügung gestellt werden sollen, wird aber kritisch diskutiert.

Und wenn die Tampons geklaut werden?

Von Gegner*innen wird dieses Argument oft ins Feld geführt. Ich finde das lächerlich. Klar, Tampons sind kleiner, aber beim WC-Papier macht sich auch niemand Sorgen, dass sich die Studierenden ihre Rucksäcke damit füllen. Und selbst wenn Leute Tampons mitgehen liessen: Darum geht es hier nicht. Es geht darum, ein Problem anzugehen, das mehr als die Hälfte der Studierenden betrifft und darum, ein Zeichen zu setzen. Wenn dabei ein paar Tampons verschwinden, so be it.

Bild: SUB

Wie steht die Uni Bern zur Initiative?

Einerseits hat die Universitätsleitung die Initiative bewilligt, andererseits will sie es nicht an die grosse Glocke hängen. Vielleicht liegt es daran, dass eine ähnliche Motion im Grossen Rat im Kanton Bern abgelehnt worden ist? Die Unileitung scheint mir zögerlich.

Warum?

Wahrscheinlich hat sie Angst vor den öffentlichen Reaktionen – einer dieser Punkte, welche die SUB immer wieder stört. Wir finden, dass die Uni Bern mutiger sein darf. Die Uni will so häufig eine Pionierin sein und sie kann es!

Gibt es ähnliche Initiativen an anderen Hochschulen?

Meines Wissens ist die Uni Bern die erste Schweizer Hochschule, die auf diesen Zug aufspringt. Es ist aber allgemein ein präsentes Thema, besonders an Westschweizer Schulen und Gymnasien. Auch die Stadt Zürich führt Testprojekte in diversen Schulen.

«Viele denken, sie müssen gleichbleibend funktionieren.»

Noch ein Wort zur Umwelt. Ist Gleichstellung ohne Wegwerfprodukte möglich?

Im Sinne der Nachhaltigkeit brauchen Menschen bereits Menstruationstassen und Co. Und sie brauchen sie unabhängig von unserem Angebot. Aber wenn du mal deine Menstruationstasse nicht dabei hast, wirst du dir nicht schnell mal eine basteln. Klar, wir bieten Wegwerfprodukte an. Aber es geht uns nicht darum, Menschen mit Menstruationsartikeln zu überschütten, sondern darum, dass sie im Notfall auf das Angebot zurückgreifen können.

Was ist deine Vision?

Unser Ziel ist es, dass kostenlose Menstruationsartikel auf allen Toiletten in allen Gebäuden der Uni Bern zur Verfügung stehen. Fürs Erste. Wenn unser Engagement Wellen schlägt, fände ich das natürlich auch schön. Deshalb hoffe ich auf die offizielle Unterstützung der Uni Bern, damit das Thema eine stärkere Wirkung auf andere Schweizer Hochschulen hat.

text: florian rudolph

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Dieser Beitrag erschien in der bärner studizytig #26 Dezember 2021

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