«Es hätte sich ein Doktorat ergeben können.»

Céline Zeller schliesst ihren Master aufgrund von Corona doch in Bern ab. Foto: Céline Bolliger

19. Mai 2020

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Céline Zellers Koffer waren schon gepackt. 7 ECTS fehlen ihr noch für den Master in Gesundheitspsychologie, den sie an der Humboldt Uni in Berlin machen wollte. Nebenbei hätte sie Forschung an der Berliner Charité betrieben.

Céline, wegen des Coronavirus konntest du nicht nach Berlin, wie beendest du jetzt dein Studium?
Jetzt mache ich noch meine 7 Punkte in Bern fertig. Eigentlich hätte ich schon letztes Semester fertig werden können. Ich habe mir extra noch wenig Punkte aufgehoben, um noch ins Ausland gehen zu können. Ich wollte dort nebenbei noch an der Charité arbeiten.

Abseits davon, dass deine Pläne völlig durchkreuzt sind: Spielt dir die gewonnene Zeit doch in die Karten?
Jein. Ja, weil ich Zeit habe alles zu überdenken, auf der anderen Seite ist es schwierig in der jetzigen Situation einen Job zu finden. Die Firmen sind alle am umdisponieren. Ich hab schon im Internet gesucht: Für Gesundheitspsychologie ist nicht viel auf dem Markt. Zum Glück bin ich noch bis August an der Uni angestellt, bei Professor Znoj am Lehrstuhl zu einem Projekt über Cannabiskonsum. Und da bin ich sehr froh, dass ich dieses Projekt habe! Wir hatten das schon mit Skype aufgegleist, damit ich aus Berlin weiter hätte mitarbeiten können. Das spielt uns jetzt in die Karten – aber trotzdem ist es nur eine 15% Anstellung. Ich probiere jetzt über mein Netzwerk noch einen Job zu finden.

«Nach dem Studium sich die Wege ebnen zu können. Das hatte ich mir erhofft.»

Mit omnipräsenter Kurzarbeit keine leichte Situation jetzt auf den Arbeitsmarkt zu kommen. Wie wichtig wäre das Semester karrieretechnisch gewesen?
Als ich den Job an der Charité bekommen habe, habe ich mir erhofft, dass ich dort weiterarbeiten könnte. Es hätte sich dort ein Doktorat für mich ergeben können. Das hatten wir natürlich alles noch nicht abgemacht gehabt, aber es hätte wirklich darauf hinauslaufen können, weil ich auch im Cannabisprojekt hier in Bern eine führende Rolle hatte mit Projektaufbau und allem.
Für das Projekt in Berlin war ich schon seit Februar am arbeiten – einfach per Skype. Die mussten auch planen, wie sie die Projekte umdisponieren und online weiterführen können. Deshalb haben wir jetzt gesagt, dass wir unser Projekt erstmal auf Eis legen.
Trotzdem wäre es mir wichtig gewesen, weil ich gerne Arbeitserfahrung im Ausland sammeln wollte. Aber karrieretechnisch hab ich es mir nicht krass erhofft, oder wollte es konkret als Sprungbrett nutzen – so weit hatte ich noch nicht raus geplant und so sehr ist mir auch noch nicht bewusst, was ich nachher arbeiten will.

Aussichten auf ein Doktorat kommen nicht alle Tage.
Ja! Und es wäre auch cool gewesen nochmal in so einer Grossstadt zu leben. Bern ist eine tolle Stadt, aber es wurde mir irgendwann ein bisschen langweilig. – Grade so mit 25, mega frei, nach dem Studium sich die Wege ebnen zu können. Das hatte ich mir mega erhofft. Nochmal eine andere Art Leben.

Die Charité ist eine Exzellenzuni, worum ging’s bei dem Projekt?
Wir wollten Paare mit Kinderwunsch untersuchen, die Substanzen konsumieren. Wenn Tabak, Cannabis, Alkohol oder auch andere Substanzen im Spiel sind, ist der Körper der Frau nicht bereit für die Schwangerschaft. Der ist ‹falschen› Gewohnheiten ausgesetzt.

Das ist thematisch eine spezielle Niesche.
Und es wäre eben deshalb cool gewesen, weil ich in meiner Masterarbeit schon zu Cannabis geforscht habe: Unser Berner Projekt war eine Onlineumfrage zum Cannabiskonsum – an der Charité hätten wir ein Projekt mit Menschen im Labor gemacht. Das wäre nochmal spezifischer gewesen.

Nochmal zu den Zeiträumen: du hast deine Masterarbeit so abgezirkelt, dass sie vor Berlin fertig wird. Perfektes Timing also – bis Corona kam. Wann war für dich klar, dass dieser Virus ernst zu nehmen ist?
An dem Montag, dem 16. März, als der Bundesrat den Lockdown beschlossen hat mit Grenzkontrollen und allem drum und dran. Zu dem Zeitpunkt war ich noch in den Bergen, wollte da zwei Wochen Skifahren, bevor ich dann für das Semester nach Berlin gefahren wäre.
Als dann die Restaurants zu gemacht haben und auch Deutschland die Grenze geschlossen hat, hab ich gemerkt: das klappt nicht.
Davor hatte der Erasmus Koordinator, Flavio Caluori, schon eine Mail geschrieben: Er empfiehlt zurück zu kommen und uns mit unserem Institut in Bern in Verbindung zu setzen, um herauszufinden, ob wir noch ins laufende Semester aufgenommen werden können. Das war in der Woche fünf des schon laufenden Semesters. Da ging bei mir alles drunter und drüber.

Mittlerweile bist du in zwei Seminaren an der Uni Bern, wie kommt’s?
Erst hab ich mich beim Institut für Psychologie hier in Bern gemeldet. Das gab dann ein Hin und Her via E-Mail – vom Institut hab ich bis heute nichts mehr gehört. Ich habe mich dann bilateral bei den Arbeits– und Gesundheitspsycholog*innen gemeldet, bei denen ich meinen Master mache.
Die haben mir drei Tage später geantwortet. Beide Dozierenden waren so kulant, dass ich bei ihnen ins Seminar kommen konnte. Ich bin jetzt froh, dass es so gekommen ist. Für mich ist es jetzt das Einfachste, von Zuhause aus arbeiten zu können.
Das ist alles in der Woche entschieden worden, nachdem der Bundesrat den Notstand ausgerufen hat.

Als der Bund also Stück für Stück die Massnahmen verschärft hat, erst Versammlungen mit über 50, dann fünf, dann zwei Menschen verboten hat, hast du im Hintergrund alles koordiniert?
Ja genau, die Humboldt Uni hat mir auch geschrieben, dass sie den Semesterbeginn um eine Woche nach hinten geschoben haben. Wir sollten probieren das Semester zu stornieren, weil die inländischen Studierenden Vorrang haben. Die haben das wirklich gut gemacht und laufend informiert.
Ich hab ihnen dann geschrieben, dass ich noch in der Schweiz sei und auch noch keine WG gefunden hatte – ich wollte eigentlich auf Suche gehen – dachte dann aber, ich warte erstmal den Bundesrat ab. Dann konnte ich in die Berner Seminare rein und hab gesagt, ist okay: ich storniere.

Das heisst auch aus dem Projekt mit der Charité bist du jetzt raus?
Nein, das ist unabhängig von der Uni. Das Projekt ist momentan eh auf Eis gelegt, weil wir die Menschen sowieso nicht im Labor sehen können. Von daher muss ich mit der Chefin des Projekts weiter sehen, falls ich hier keinen Job finde. Sie ist sehr herzlich und meinte, wenn ich wieder nach Berlin komme, könnte ich bei ihr weiterarbeiten. Momentan ist die Frage für mich eher: Was mache ich überhaupt? Dieses Jahr werde ich wohl nicht mehr nach Berlin fahren.

Auf einer Skala von 1-10: Wie einschneidend ist das ausgefallene Austauschsemester für dich?
Persönlich schon so 7. Unitechnisch würde ich sagen eine 4, weil ich den Abschluss im Sommer habe. Und darüber bin ich mega froh. Hätte ich keinen Abschluss wär’s eine 10.

Wie gehst du persönlich mit der Situation um?
Am Montag als der Notstand angekündigt wurde, hab ich gemerkt: Mist, ich muss jetzt alles umorganisieren. Es war seit einem Jahr klar, dass ich nach Berlin fahren kann. Ich hab alles darauf ausgerichtet. Rückblickend hätte ich es letztes Semester viel ruhiger angehen können – oder schon ganz abschliessen. Aber das hab ich damals nicht gewusst. Persönlich hab ich damit abgeschlossen. Bei vielen ist wegen der Coronakrise einiges schief gelaufen – ich bin damit nicht alleine. Ich hab auch gute Unterstützung und viele Anrufe bekommen: ‹Wie ist es jetzt wegen Berlin?› Das war mega herzig. Daher: Es ist ungünstig aber es ist jetzt einfach so. Ich mache mir gar nicht mehr gross Gedanken von wegen: Was wäre wenn?

text: julia beck; bild: céline bolliger

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Dieser Beitrag erschien in der bärner studizytig #20 Mai 2020

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