Das Mieten-Fiasko geht in die nächste Runde

07. März 2024

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Zwei Änderungen im Mietrecht wurden vom Parlament bereits beschlossen, weitere sind in der Vernehmlassung. Die Luft für Mietende wird dünn ‒ besonders für Studierende. Doch das letzte Wort in dieser Sache hat das Volk.

Am 29. September 2023 stimmte das Parlament trotz Abratens des Bundesrates zwei Gesetzesänderungen im Bereich des Mietrechts zu.
Die erste Änderung betrifft das besonders von jungen Menschen rege genutzte Konzept der Untermiete. Durch die vom ehemaligen SVP-Nationalrat Hans Egloff, dem Präsidenten des Hauseigentümerverbands der Schweiz (HEV) initiierte und mittlerweile vom Parlament beschlossene Gesetzesänderung soll eine Untermiete nur noch mit schriftlicher Zustimmung der vermietenden Partei möglich sein. Ausserdem kann die Zustimmung verweigert werden, falls die Untermiete länger als zwei Jahre dauern soll. Bei Nichteinhaltung der Vorschriften oder bei falschen Angaben im Untermietvertrag kann Hauptmieter*innen innerhalb von 30 Tagen gekündigt werden.

Auch die zweite Änderung erleichtert die Kündigung und schwächt damit die Position der Mietpartei weiter: Neu soll statt eines «dringenden» Eigenbedarfs ein «bei objektiver Beurteilung bedeutender und aktueller Eigenbedarf» genügen. Die Idee dahinter ist die Beschleunigung des Verfahrens in Streitfällen. Der HEV ist nämlich der Meinung, gegenwärtig dauert es zu lange, bis Mieter*innen die Wohnung im Fall der Anmeldung von Eigengebrauch verlassen müssen. Die Änderung geht auf eine parlamentarische Initiative des ehemaligen FDP-Nationalrats Giovanni Merlini zurück.

Verschlechterung auch für Studierende

Aktuell wissen viele Mieter*innen kaum noch, wie sie die horrenden, ständig steigenden Mietzinse bezahlen sollen. Besonders in den Städten mangelt es an bezahlbarem Wohnraum. Unter solchen Umständen den Mieter*innenschutz weiter schwächen zu wollen, klingt wie ein schlechter Witz.

Michael Töngi, Vize-Präsident des Mieterinnen- und Mieterverbandes Schweiz (MV) sieht in den beiden Gesetzesänderungen eine eindeutige Verschlechterung des Kündigungsschutzes der mietenden Partei. Dies sei besonders deshalb problematisch, weil die Schweiz bereits zum jetzigen Zeitpunkt einen schlechteren Kündigungsschutz im Mietrecht kenne als das Ausland.

Auch Studierenden könnten die beiden Gesetzesänderungen zum Verhängnis werden. Denn sie leben im Vergleich zur restlichen Bevölkerung überproportional häufig in Untermietverhältnissen, was durch diese Gesetzesänderung erschwert werden könnte, befürchtet der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS).

Auch Töngi sieht die Interessen der Studierenden in der Hinsicht gefährdet: Versäumen Hauptmieter*innen in der Kommunikation mit der vermietenden Partei eine Meldung oder machen sie einen Fehler im Untermietvertrag, droht den Untermieter*innen die Kündigung, obwohl sie den Fehler gar nicht verantworten.

Weiter haben Studierende in der Regel bescheidene Budgets, weshalb die ohnehin schon begrenzten Wohnmöglichkeiten durch die beiden Vorstösse weiter verringert werden könnten. Dies, weil die nun erleichterten Kündigungen und die damit zusammenhängenden Wechsel der Mietpartei zu den Haupttreibern der Mietzinse gehören, erklärt Töngi.
Die SUB Umfrage, deren Resultate im vergangenen Herbst publiziert wurden, ergab, dass nur etwa 40 Prozent der befragten Studierenden der Universität Bern bei ihren Eltern wohnen. Die restlichen 60 Prozent der Studierenden müssen daher eine Wohnung oder ein Zimmer finanzieren.

Auch die ohnehin schon angeschlagene mentale Gesundheit der Studierenden, welche durch die Verschlechterung der Wohnbedingungen und die daraus resultierenden Unsicherheiten weiter verschlechtert werden könnte, macht dem VSS Sorgen.

«Studierenden könnten die beiden Gesetzesänderungen zum Verhängnis werden.»

Doppel-Referendum kommt zu Stande

Wie im März letzten Jahres angekündigt, ergriff der Mieterinnen- und Mieterverband (MV) das Doppel-Referendum gegen die beiden im Herbst beschlossenen Gesetzesänderungen. Neben der SP, den Grünen, dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund und zahlreichen weiteren Gruppierungen unterstützten auch der VSS und die SUB die beiden Referenden.

Nachdem schon nach der Hälfte der Sammelzeit genügend Unterschriften vorhanden gewesen wären, konnte der Mieterinnen- und Mieterverband bei der Einreichung der beiden Referenden am 16. Januar 2024 zweimal stolze 75’000 Unterschriften vorweisen. Das sind weit mehr, als für das Zustandekommen erforderlich gewesen wären.

Die Unterschriften müssen noch von der Bundeskanzlei verifiziert werden. Dann steht der Abstimmung nichts mehr im Weg. Sie dürfte sogar noch in diesem Jahr durchgeführt werden.
Töngi zufolge stehen die Erfolgsaussichten für die Abstimmung gut. Wohnen sei ein grosses Thema, das immer mehr Menschen beunruhige. Sogar Personen, die selbst nicht in einem Mietverhältnis leben, hätten meist eine Tochter oder einen Neffen, die Mühe haben, eine finanzierbare Wohnung zu finden.

«Selbst wenn die beiden Gesetzesänderungen vom Volk in den Wind geschlagen werden sollten, geraten Mieter*innen zunehmend unter Druck.»

Schlechte Aussichten für Mietende

Selbst wenn die beiden Gesetzesänderungen vom Volk in den Wind geschlagen werden sollten, geraten Mieter*innen zunehmend unter Druck.
Der Referenzzinssatz und damit die Mieten werden voraussichtlich weiter steigen, obwohl noch nicht einmal die letzte Erhöhung vom Dezember verdaut ist. Töngi zufolge werden die Mietzinsen dabei voraussichtlich immer stärker als die Teuerung steigen. Das liege daran, dass Immobilien zunehmend im Besitz institutioneller Anleger*innen [1] seien, welche meist an hohen Renditen interessiert sind. Dies erhöhe die Gefahr, dass auch missbräuchliche Mietzinse [2] verlangt würden.

Dazu kommt, dass die Immobilien-Lobby bereits zwei neue Vorlagen in Bearbeitung hat, die die Situation der Mieter*innen verschlechtern würden. So hat die Rechtskommission des Nationalrates eine Vorlage in die Vernehmlassung geschickt, welche vorsieht, dass Neumieter*innen die Höhe der Miete fortan nur noch anfechten können, wenn sie gleichzeitig beweisen, dass sie keine andere Wohnung zu einem günstigeren Preis finden konnten. «Diese Vorlage ist besonders fies», meint Töngi. Sie komme nämlich, nachdem der MV sich über Jahre hinweg darum bemüht hat, in zahlreichen Kantonen die Pflicht eines Formulars einzuführen, auf dem den Nachmieter*innen offengelegt werden muss, wie viel ihre Vormieter*innen bezahlt haben. Dieser Fortschritt werde durch die erneute Verschlechterung der Lage der Mieter*innen massiv geschwächt.

Im Rahmen dieser Gesetzesänderung soll zudem die Anpassung der Mietzinse an das Orts- und Quartierübliche vereinfacht werden. Dadurch würde es der vermietenden Partei ermöglicht, die Miete allein deswegen zu erhöhen, weil sie drei vergleichbare Wohnungen vorweisen kann, welche teurer sind. Oder umgekehrt könnte die Vermieterschaft mit dem Argument der Quartier- und Ortsüblichkeit eine von der Mieterschaft verlangte Mietzinssenkung [3] abwehren. Gemäss Töngi würde dadurch die momentan geltende Kostenmiete [4] durch so etwas wie eine Quartiermiete ersetzt, was letztlich einer Marktmiete [5] entsprechen würde. Die Einführung einer Marktmiete hätte einen unverhältnismässigen Anstieg der Mietpreise zur Folge. Dies wäre ein weiterer gravierender Rückschlag für Mieter*innen, den es zu verhindern gelte.

Ausgeklügelte Strategie der Immobilien-Lobby

Die Gesetzesänderungen, gegen die das Doppel-Referendum ergriffen wurde und die weiteren geplanten Änderungen wurden nicht als Gesamtpaket vom Parlament verabschiedet. Aus diesem Grund muss die Mieter*innen-Allianz gegen alle Änderungen einzeln Referenden ergreifen, was teuer ist und den Kampf offensichtlich erschwert. Gemäss Töngi liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei den Gesetzesänderungen zum Untermietverhältnis und derjenigen zum Eigenbedarf nicht lediglich um kleine Änderungen im Mietrecht handelt, welche der Rechtssicherheit und der Vereinfachung dienen sollen, wie es von Befürworter*innen gerne behauptet wird. Im Gegenteil, die beiden beschlossenen Änderungen dürfen nicht für sich allein betrachtet werden, sondern seien als Teil eines weitergehenden Plans der Immobilien-Lobby zu werten, betont Töngi. Er bezeichnet dieses Vorgehen als «Salami-Taktik», denn durch die einzelnen Vorstösse würden die Rechte der Mieter*innen schrittweise geschmälert, obwohl diese Gesetzesänderungen ohne Weiteres unter dem Titel «Liberalisierung des Mietrechts» in einer Vorlage hätten zusammengefasst werden können.

«Die beiden beschlossenen Änderungen dürfen nicht für sich allein betrachtet werden.» – Michael Töngi (Vize-Präsident MV)

Die SUB setzt sich für günstigeren Wohnraum ein

Auf die Geschehnisse in Bundesbern kann die SUB nur mittelbar, zum Beispiel durch Beteiligung an den genannten Referenden, Einfluss nehmen. Die SUB will dem Dahinschwinden bezahlbaren Wohnraums für Studierende jedoch auch unmittelbar entgegenhalten. In Zusammenarbeit mit der Baugenossenschaft (BG) Aare soll im Rahmen des Projekts “SWIM” im neu entstehenden Quartier auf dem Mittelfeld/Viererfeld in Bern studentischer Wohnraum entstehen. Eine entsprechende Absichtserklärung mit der BG Aare wurde bereits im Juni 2017 verabschiedet. Seit diesem Zeitpunkt bildet die SUB laufend Rückstellungen für das Projekt.

Trotz zunehmend düsteren Aussichten für Mieter*innen bleibt somit Hoffnung auf bezahlbaren Wohnraum – auch für wenig zahlungskräftige Studierende.


[1] Institutionelle Anleger*innen sind juristische Personen, wie Banken, Versicherungen oder Fondsgesellschaften, die ihr Kapital fast immer professionell, unter anderem auch in Wohnungen investieren.

[2] Das Bundesgericht legte in einem Grundsatzentscheid einst fest, dass Renditen von Vermieter*innen nicht über zwei Prozentpunkten über dem hypothekarischen Referenzzinssatz liegen dürfen. Renditen, die über diesen zwei Prozentpunkten liegen, sind dementsprechend illegal.

[3] Eine solche kann zum Beispiel dann verlangt werden, wenn der Referenzzinssatz sinkt.

[4] Die «Kostenmiete» wird aus den Kosten der Finanzierung der Wohnung und den Kosten für den Betrieb berechnet. Diese Berechnung des Mietzinses wird vom MV bevorzugt, weil damit  kein übersetzter Ertrag möglich ist.

[5] Der Begriff «Marktmiete» wird für Mieten verwendet, welche durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden.

text: noëlle schneider/ illustrationen: livia kauer

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Dieser Beitrag erschien in der bärner studizytig #35 März 2024

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