Sommermoment #8
Illustration: Lisa Linder
Der Sommer ist noch knapp da, doch die kalte Jahreszeit kriecht unheilverheissend aus dem Loch, in das wir sie im März gesteckt hatten. Unser Autor über die anderen Sommermomente.
Es gibt diese und jene Sommermomente. Diese, die einen mit Zuversicht und Wärme versorgen, seien es eine durchgetanzte Nacht, ein Sprung in die Aare, das Lesen im Schatten oder die Erlaubnis, der Langeweile einfach mal nachzugeben, wie es uns im sogenannten «Leben B» nie vergönnt ist. Und dann gibt es jene, die einen am Ende der Ferien unvermittelt anspringen, die hinter jedem Freudenmoment lauern, geduldig wartend auf einen Augenblick, in dem ausnahmsweise ein paar Regentropfen den lauen Sommerwind ablösen, um einen dann daran zu erinnern, dass der Winter vor der Tür steht. «Winter is coming» ist nicht nur das legendäre Motto der Starks von Winterfell, sondern auch das apodiktische Leitmotiv der kürzer werdenden Spätsommertage.
Plötzlich trifft es einen wie der Schlag: Alles was man für selbstverständlich gehalten hat, rückt hinter einen milchigen Schleier und droht zu entgleiten. Das Schauspiel der Lebensfreuden, das seit einigen Monaten auf der Bühne des Alltags spielt, wird von einem Blick hinter den Vorhang abgelöst, der sich einen Spaltbreit öffnet. Dahinter liegen kalte Tage und noch kältere Nächte, ÖV- statt Velofahren, Hallenfussball statt Rasenschach. Wenn im Winter der Mond die Sonne vor sich herschiebt, werden Pflichten nicht mehr auf die leichte Schulter genommen, wenn der Blick nicht mehr aus dem Fenster gehen will, dann richtet er sich nach innen. Aus Sommersause wird Introspektion, aus Weltoffenheit wird Schneeschaufeln vor der Garage. Und dann ist da natürlich noch die Sache mit dem Virus. Aber lassen wir das für einmal gut sein.
Zu düster? Mir auch. Aber ganz ehrlich – manchmal fühlt es sich genau so an. Für alle, die das ebenso empfinden: Die Beiträge der Serie «Sommermomente» der bärner studizytig spenden auch im Januar noch Wärme. Und wenn ihr alle gelesen habt: Den Schnee vor der Garage einfach mal liegen lassen, Aperol, Prosecco und Soda auf Eis giessen, aus dem Fenster schauen und auf den nächsten Sommer warten.