Sommermoment #3
Illustration: Lisa Linder
Was er sich wohl gedacht hat? Unser Autor verliess das sommerliche Bern und fand in Trondheim Regenschauer und Pullover-Temperaturen. Sein Fazit: «Mir ist kalt.»
Mit dem Nachtzug von Oslo komme ich morgens um sechs Uhr in der verschlafenen Stadt an der Westküste Norwegens an. Es sind noch Semesterferien und von den gut 20 Prozent Studierenden, denen Trondheim normalerweise Unterkunft bietet, ist noch keine Spur zu sehen. Ein Taxi bringt mich vom Bahnhof durch die entzückende Innenstadt zur studentischen Wohnverwaltung, wo ich in einem Briefkasten den Schlüssel zu meinem Zimmer abholen kann. Ich bin todmüde. Durch die Fahrt gegen Norden verkürzte sich die Nacht mit jeder Meile, in der sich der Zug Richtung Ziel bewegte und ich habe kaum ein Auge zugetan. Nur ins Bett will ich. Nachdem ich meinen Schlüssel erhalten habe, schleppe ich mich, mitsamt meinem Rucksack und zwei grossen Koffern zu meiner Unterkunft.
Da ich keine Lust hatte, mir allerhand Möbel anzuschaffen, bezahlte ich gerne den Aufpreis für ein möbliertes Zimmer. Erwartungsvoll öffne ich die Tür, doch stelle zu meinem Entsetzen fest – keine Matratze! Nur ein leerer Bettrost… Faen! (Ausruf in Norwegisch). Doch alles gut, ich gewinne schnell wieder die Fassung. Ich muss klar denken. Ich klappe den Laptop auf und suche nach der nächsten Ikea. Eine halbe Stunde mit dem Bus entfernt, aber es ist mittlerweile erst sieben Uhr morgens und die schwedische Möbelkette öffnet die Türen nicht vor zehn. Ich halte mich wach und streife schweren Fusses durch meine neue Nachbarschaft. Schliesslich nähert sich der kleine Zeiger meiner Fossil-Uhr der zehn. Ich finde die richtige Bushaltestelle, der Bus kommt sogleich und – whooom – er fährt an mir vorbei. Warum macht er das? Bereits leicht genervt warte ich auf den nächsten. Eine junge Frau, die sich mittlerweile zu mir gesellt hat, winkt dem Bus schon von weitem zu. So geht das also hier; gut zu wissen. Endlich bin ich bei Ikea angekommen und ich kaufe alles was ich benötige: eine Decke, Kissen, Bettwäsche, eine paar Frotteetücher, eine Fake-Zimmerpflanze, doch vor allem – eine Matratze. Wählerisch zu sein, kann ich mir nicht leisten. Das einzige Kriterium: Ich muss sie zur Bushaltestelle tragen können. Mit prall gefülltem Rucksack, einer vollen Sporttasche um die eine, einer Ikea-Tüte um die andere Schulter und der zusammengerollten Matratze in den Händen verlasse ich das Geschäft. Der Schweiss strömt mir von der Stirn und vermischt sich mit dem kalten Regen, der mir ins Gesicht trifft. So habe ich mir den Sommer bestimmt nicht vorgestellt. Endlich erreiche ich die Haltestelle und winke dem Bus zu, trage schliesslich meine Beute in mein Zimmer, entferne die Verpackung der Matratze mit meinem Schweizer Taschenmesser, lege sie auf den Rost und sinke erschöpft in ihr nieder. Wohlverdienter Schlaf.
Nach ein paar Tagen öffnete sich auch der Himmel, die Temperaturen stiegen und ich wurde mit ein paar langen, skandinavischen Sommertagen belohnt, bevor nun der Ernst des Studiums wieder beginnt.