Sommerliche Spurensuche

28. August 2024

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Was haben Eidechsen, Schmetterlinge und Hängematten miteinander zu tun? Unsere Autorin hat sich im Sommer Gedanken über die Herkunft von verschiedenen Wörtern gemacht.

«Ich dachte immer, es heisse Ei-dechsli», sagte meine Kollegin, als wir uns auf der BoGa-Wiese sonnten und die kleinen Reptilien beobachteten, die über die Steine huschten. Ihre Bemerkung sorgte für Lacher, aber auch für Diskussionen. Zum Glück rekordverdächtig lange ohne Google, so dass wir uns ausgiebig darüber austauschten, ob das Tier eher etwas mit Eiern oder mit einem Eid zu tun haben könnte. Schliesslich klärte uns ein Wörterbuch auf: Meine Kollegin hatte gar nicht so unrecht

Echsen: Eine Erfindung des 19. Jahrhunderts

Das Wort «Eidechse» stammt aus dem Althochdeutschen und geht auf «egi-dehsa» zurück, was möglicherweise auf eine altgermanische Bezeichnung für Schlange verweist. Der zweite Teil des Wortes könnte auf die spindelförmige Gestalt dieser Tiere hinweisen. Doch das Wort «Echse» selbst? Das ist eigentlich ein Irrtum! Ein Zoologe des 19. Jahrhunderts hielt es wohl für klug, den Plural «Echsen» zu bilden, ohne zu bedenken, dass das Wort ursprünglich ganz anders zusammengesetzt war. So wurde aus dem Reptil namens «Ei-Dechse» kurzerhand eine ganze Tiergruppe namens «Echsen». 

Das Ei im Eiland

Auch der deutsche Begriff «Ei-land» für «Insel» hat nichts mit Eiern zu tun. Man könnte meinen, dass das «Ei» in «Eiland» daher kommt, dass eine Insel so isoliert im Wasser liegt wie ein Ei im Nest. Vielleicht denkt man auch an das Ei des Kolumbus oder daran, dass ein Ei im Vergleich zu grösseren Dingen so klein ist wie eine Insel im weiten Meer. Tatsächlich stammt der Begriff aber aus dem Nordischen und geht auf das germanische Wort «*agwijō-» zurück, was «die zum Wasser Gehörige» bedeutet. Volksetymologische Deutungen haben jedoch immer wieder das «Ei», aber auch Begriffe wie «ein-(sam)», «eigen» oder «Eis» ins Spiel gebracht.

 Von Rahmdieben und Anwaltsfrüchten

Und was hat eigentlich der zarte Schmetterling mit «Schmettern» zu tun? Gar nichts! Der Name kommt von «Schmetten», einem alten Wort für Rahm. Früher glaubte man, dass Hexen in der Gestalt von Schmetterlingen herumfliegen und den Menschen die Milch und den Rahm stehlen könnten. Das hat damit zu tun, dass die Tiere scheinbar von Milchprodukten angezogen werden und häufig auf Milchgefässen sitzend angetroffen wurden. Auf dasselbe Phänomen geht der englische Name «butterfly» zurück.

Das spanische Wort «abogado» bedeutet «Anwalt», und diese Bedeutung spielte in der Wortgeschichte der Avocado eine Rolle. Ursprünglich stammt der Name der Frucht aus Nahuatl, einer indigenen Sprache Mittelamerikas, in der sie «ahuacatl» genannt wird. Als die Spanier:innen das Wort übernahmen, änderten sie es in «Avocado», weil es ähnlich klang wie das spanische Wort für Anwalt. 

Ausgepowert? Ab auf die Hängematte

Ein Highlight des Sommers ist die Hängematte. Doch woher kommt der Begriff? Die vom indigenen Volk Aruak uf Haiti gebrauchte Bezeichnung für die Schlaf- und Tragnetze lautete «hamáka». Die Seefahrer von Kolumbus brachten dieses praktische Schlafnetz nach Europa. Hier entstand im Niederländischen des 17. Jahrhunderts das Wort «hangmak», das sich volksetymologisch zu «hangmat» entwickelte. Dieser Begriff wurde schliesslich ins Deutsche als «Hängematte» übernommen, nachdem zunächst das Wort «Hamaco» kursierte.

Nach einem ausgiebigen Nickerchen in der Hängematte könnte man sich fragen, was es eigentlich mit dem Begriff «ausgepowert» auf sich hat. Es klingt nach dem englischen Wort «power», oder? Falsch gedacht! Ursprünglich kommt das Wort von «auspovern», was so viel wie «ausbeuten» bedeutet und auf das französische Wort «pauvre» für «arm» zurückgeht. Erst später wurde das Wort in den Sportjargon übernommen und erhielt die heutige Bedeutung «erschöpft».

Ein bombastischer Sommer

Und wer bei «bombastisch» an eine Bombe denkt, liegt wieder daneben. Das Wort kommt eigentlich von «Bombast», einem Baumwollstoff, der früher verwendet wurde, um Kleidung auszuwattieren. Diese Idee des Aufgebauschten wurde dann auf übertrieben pompöse Reden übertragen – und so war «bombastisch» geboren.

So zeigte uns ein sonniger Tag auf der Wiese, dass Worte oft viel mehr zu bieten haben, als wir denken. Sie erzählen Geschichten, die so überraschend sind wie der Sommer selbst – voller Entdeckungen und Abenteuer (hat übrigens nichts mit «Abend» und «teuer» zu tun), die man erst auf den zweiten Blick erkennt. 

 

Die Informationen in diesem Text habe ich dem folgenden Buch entnommen: «Täuschende Wörter: Kleines Lexikon der Volksetymologien» von Heike Olschansky (2004). Wer sich schon immer über die Herkunft des Wortes Zwiebel oder die Etymologie der Heidelbeere Gedanken gemacht hat, wird hier fündig. Online kann man im Schweizerischen Idiotikon (https://www.idiotikon.ch/) und im DWDS (Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache: https://www.dwds.de/) stöbern.

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