Lieber Experte #8
Illustration: Tobias Bolliger, www.tobiasbolliger.ch
Anna (23) aus Bern fragt: Ist es ein No-Go, den Ausdruck «No-Go» zu verwenden?
Liebe Anna,
nein, die umgangssprachliche Verwendung der Vokabel «No-Go» im Deutschen als Substantiv ist kein No-Go, sondern in erster Linie ein Scheinanglizismus. Aber auch wenn die Verwendung der besagten Vokabel nicht justiziabel ist, birgt sie sprachliches wie gesellschaftliches Disqualifikationspotenzial. Denn heimisch ist das No-Go in den Sphären der Belanglosigkeit und des redaktionellen Füllmaterials: Listen à la «42 No-Gos bei kinky Würgespielen ohne Safeword», sich alljährlich wiederholende «Diskurse» über die Gesellschaftsfähigkeit von Flip Flops und Hot Pants oder kolumnistische Elaborate von Menschen, deren Selbstüberschätzung sie im Glauben lässt, sie seien tatäschlich eine Instanz, an die man sich ratsuchend zu wenden habe. Hierbei vereint das «No-Go» allerdings auf einzigartige Weise zwei Eigenschaften in sich. Wer No-Gos zu etablieren versucht, schafft es, gleichzeitig unerträglich paternalistisch, beziehungsweise maternalistisch zu klingen und sich im gleichen Atemzug selbst zu infantilisieren. Die Sätze «Das ist ein No-Go!» und «Das ist Pfuipfui!» nehmen sich nämlich genau gar nichts. Mündige Menschen, die sich halbwegs souverän in Wort und Schrift ausdrücken können, apostrophieren jedoch -Dinge, die sie für inakzeptabel halten, nicht mit «Pfuipfui». Gleichzeitig mögen sie es auch nicht, wenn man mit ihnen spricht, als wären sie ein Hund, der nur zu zwei Dritteln stubenrein ist. Letztlich gilt beim «No-Go» das Gleiche wie bei Hot Pants und Flip Flops –
das Recht auf Selbstinfantilisierung ist unantastbar. Was allerdings ein riesiges, fucking sakrosanktes No-Go ist: «No-Go’s» mit Deppenapostroph. Eine Abscheulichkeit, die dem Experten bei seinen «Recherchen» mehr als einmal begegnet ist. Hier besteht ein dringender Handlungsbedarf vonseiten der Gesetzgeberin. Irgendwo hört der Spass endgültig auf…
Tabulose Grüsse,
dein Experte
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