Kein Bock mehr auf Sexismus-Debatten? – Pech gehabt!

09. März 2025

Von und

Warum hält sich Sexismus so hartnäckig in unserer Gesellschaft? Was hat das mit strukturellem Sexismus zu tun? Und warum ist es so wichtig, dass wir uns alle damit auseinandersetzen und nicht müde werden, darüber zu diskutieren? Diesen und weiteren Fragen gehen die Autor*innen in diesem Essay auf den Grund.

Sexismus ist überall. Der Umgang damit ist je nach Perspektive jedoch sehr unterschiedlich. Die einen versuchen unermüdlich darauf aufmerksam zu machen, während die anderen dessen Existenz leugnen und vor allem einen Schlusspunkt hinter die Debatte setzen wollen.

Ebenso gibt es viele, die dazwischen stehen: Sie sind sich vielleicht bewusst, dass Sexismus existiert, vielleicht nehmen sie ihn sogar als negativ wahr, aber sie finden die Diskussion ziemlich anstrengend und gehen ihr lieber aus dem Weg. Oder sie denken, dass es sie nicht genug angeht, denn Sexismus geht doch eh nur die Hälfte der Bevölkerung etwas an, oder? Wie auch immer, etwas haben wir alle gemein: Wir würden lieber über anderes reden als Sexismus.

Solange sich Sexismus so hartnäckig in unserer Gesellschaft hält, solange werden sich auch die Diskussionen darüber halten. Weshalb ist das der Fall, wenn es uns allen doch eigentlich lästig ist? Wie so oft gibt es auf diese Frage nicht diese eine richtige Antwort. Doch was uns der Antwort einen Schritt näher bringt, ist die Erkenntnis, dass Sexismus strukturell verankert ist. Was das bedeutet, erklären wir euch in den folgenden Zeilen.

Einordnung

Beginnen wir von vorne: Sexismus ist eine Form von Diskriminierung. Dies wiederum ist ein Überbegriff für verschiedene Formen der Ungleichbehandlung von Menschen, die sich in vergleichbaren Situationen befinden, oder der Gleichbehandlung von Menschen in unvergleichbaren Situationen. Neben Sexismus lassen sich auch Rassismus, Ableismus, Ageismus etc. in die Kategorie der Diskriminierung einordnen. Wiederum kann diese in folgende Untergruppierungen aufgeteilt werden; direkte, indirekte, strukturelle, institutionelle und intersektionale Diskriminierung.

Diese Bezeichnungen benennen jeweils eine Dimension der Diskrimminierung und heben deren Wirkung hervor. Über jede dieser Unterformen könnten wir einen eigenen Artikel verfassen, jedoch fokussieren wir uns in diesem Essay auf die strukturelle Diskriminierung und dabei explizit auf strukturellen Sexismus.

Das Konzept der strukturellen Diskriminierung lässt sich genauso auf jegliche andere Arten der Diskriminierung anwenden.

 

Jedoch ist wichtig anzumerken, dass sich das Konzept der strukturellen Diskriminierung genauso auf jegliche andere Arten der Diskriminierung anwenden lässt.

Struktureller Sexismus

Werfen wir mal kurz einen genaueren Blick auf den Begriff des «strukturellen Sexismus». Was ist eigentlich mit «strukturell» gemeint? Struktur kann als Ordnung beschrieben werden, eine Ordnung, die einem System zugrunde liegt oder diesem innewohnt. Auf dieser Ordnung bauen sich das Verhalten und das Funktionieren der Gesellschaft auf. Im Umkehrschluss können gesellschaftliche Praktiken erst verändert werden, wenn eine Umstrukturierung vorgenommen wurde.

So kann auch gesagt werden, dass das Hauptmerkmal von strukturellem Sexismus in seiner gesellschaftlichen Verankerung besteht, sowie seiner oft unbewussten Intention und der Frage, gegen wen sich die Ungleichbehandlung richtet. Strukturelle Diskriminierung ist eine systematische Benachteiligung von Personen aufgrund der Organisation unserer Gesellschaft und ihrer Institutionen. Sobald sich eine sexistische Handlung gegen bereits systematisch benachteiligte Personen – in unserer Gesellschaft FINTA*-Personen – richtet, ist diese Handlung als struktureller Sexismus zu kategorisieren. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn dadurch die betreffenden Menschen weiter systematisch benachteiligt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Intention hinter dieser sexistischen Handlung bewusst oder unbewusst war.

Dahinter liegt die ganze Geschichte der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, insbesondere mit ihrem historisch erzeugten Machtgefälle.

 

Ein simples Beispiel zur Veranschaulichung: Wenn ein Mann in der Öffentlichkeit einen anzüglichen Kommentar zum Aussehen einer fremden Frau macht, dann ist das eine strukturell sexistische Handlung. Verläuft die Situation umgekehrt, ist die Handlung weiterhin sexistisch, aber nicht strukturell. Denn dahinter steckt so viel mehr als nur dieser unangenehme Kommentar. Dahinter liegt die ganze Geschichte der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, insbesondere mit ihrem historisch erzeugten Machtgefälle. Der Kommentar baut auf diesem Machtverhältnis auf und die Ungleichheit wird dadurch weiter reproduziert.

Daraus kann geschlossen werden, dass sich individueller Sexismus gegen alle Geschlechter richten kann, struktureller Sexismus jedoch nur gegen FINTA*-Personen. Doch bevor wir weiter darauf eingehen, werfen wir einen Blick auf die historische Verankerung des Patriarchats.

Ein Blick in die Vergangenheit

Um zu verstehen, wie Sexismus historisch gesehen in unserer gesellschaftlichen Struktur verankert wurde, gehen wir hier auf einige geschichtliche Aspekte ein.

Kriege und Machtkämpfe verstärkten diese Strukturen weiter, indem Frauen oft auf ihre Rolle als Gebärmaschine reduziert wurden.

 

Sehr vereinfacht ausgedrückt begann mit der Sesshaftwerdung in westlichen Gesellschaften die Festigung traditioneller Rollenbilder und die damit verbundene geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Kriege und Machtkämpfe verstärkten diese Strukturen weiter, indem Frauen oft auf ihre Rolle als Gebärmaschine reduziert wurden.

Das Aufkommen des Christentums trug zusätzlich dazu bei, das patriarchale Weltbild zu zementieren. Frauen galten unabhängig vom Mann nicht als vollständige Lebewesen – ein Narrativ, das sich bereits in der biblischen Geschichte von Adam und Eva widerspiegelt. Natürlich gab es durchaus bedeutende Frauenfiguren; jedoch wurden sie in historischen Überlieferungen oft verschwiegen oder ihre Erfindungen Männern zugeschrieben.

Dieses patriarchale Denken fand nicht nur Eingang in die Religion, sondern prägte auch die Philosophie, Wissenschaft und Arbeitswelt nachhaltig. Der Kapitalismus machte sich die bestehenden Strukturen zu eigen. Veronika Bennholdt-Thomsen spricht in diesem Zusammenhang von der «Subsistenzproduktion», womit sie die unbezahlte Arbeit meint, die Frauen im Sinne der Reproduktion zukünftiger Arbeitskräfte leisten. Während Männer meist in entlohnter Arbeit tätig waren, bleibt die Care-Arbeit, die auch heute noch überwiegend von FINTA*-Personen geleistet wird, unbezahlt.

Diese strukturelle Benachteiligung führt bis heute zu systematischer Altersarmut bei vielen dieser Personen. Mit der Zeit wurden solche Strukturen langsam aufgebrochen und auch der Zeitgeist hat sich verändert. FINTA*-Personen haben sich emanzipiert und begonnen, sich gegen ihre Diskriminierung aufzulehnen. Jedoch muss man im Hinterkopf behalten, dass sich Frauen erst seit etwa 150 Jahren an Universitäten einschreiben dürfen und das Stimm- und Wahlrecht der FINTA*-Personen erst seit 1971 bzw. 1991 schweizweit gilt.

Noch immer sind FINTA*-Personen im Schweizer Parlament und Bundesrat stark unterrepräsentiert.

 

Mit der Einführung des Frauenstimmrechts wurden aber das Patriarchat und der darin verankerte Sexismus nicht einfach behoben. Noch immer – und das 50 Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts – sind FINTA*-Personen im Schweizer Parlament und Bundesrat (mit Blick auf die kommenden Bundesratswahlen) stark unterrepräsentiert. Dies hat mit den noch tief in uns verankerten Vorstellungen zu tun, dass FINTA*-Personen weniger «gut geeignet» sind als Führungspersonen und in politischen Ämtern.

Dem wird jedoch oft entgegengehalten, dass heutzutage alle Geschlechter die gleichen Chancen hätten. Das Argument wird gebracht, dass «wahrscheinlich einfach nicht so viele Frauen in die Politik wollen, weil sie dürften ja» und teilweise bereits Geschlechterquoten implementiert wurden, um gegen die Unterrepräsentierung vorzugehen. Hingegen sorgen Geschlechterquoten für noch mehr Ärgernis, «Menschen sollen doch aufgrund ihrer Begabung gewählt werden und nicht wegen ihres Geschlechts!», hört man in dieser Debatte nicht selten. Leichter gesagt als getan; weil wir uns der Assoziation der «schwachen» Frau und des «starken» Mannes so gewohnt sind, hinterfragen wir diese Denkweise nur selten und tragen noch eher zu deren Reproduktion bei.

Das geht so weit, dass diskriminierende Aussagen von Betroffenen selbst getroffen werden oder von ihnen nicht als diskriminierend wahrgenommen werden. Es ist für unsere Gesellschaft normal, dass man Sätze hört wie etwa «Frauen machen Kinderbetreuung besser, das hat ja etwas mit weiblichen Qualitäten zu tun wie Nähe, Emotionalität etc.». Genau das spiegelt die strukturelle Verankerung von sexistischem Denken. Umgekehrt ist der Satz «Männer sind halt einfach emotionaler und bindungsorientierter, sie sind deshalb besser geeignet für die Kinderbetreuung» kaum vorstellbar.

Diese Beispiele zeigen, dass die heutigen Vorstellungen von Rollenbildern, geschlechtlichen Assoziationen, Kategorisierungen, Traditionen und Gewohnheiten bereits seit Jahrhunderten und noch immer strukturell in unserer Gesellschaft verankert sind. Weiter werden sie durch ihre ständige Reproduktion immer noch stärker gefestigt.

Internalisierung und Reproduktion

Obwohl den meisten unter uns bereits vorher klar war, dass Sexismus in unserer Welt existiert, führen die Anekdoten oben noch einmal deutlich vor Augen, wie tief Sexismus in unserer Gesellschaftsstruktur verankert ist. Doch wie gelangen sexistische Praktiken in unser tägliches Verhaltensrepertoire? Wie reproduzieren wir diese Strukturen? Bereits in unserer Kindheit werden uns sexistische Verhaltensweisen und Denkmuster weitergegeben, die wir durch Reproduktion aufrechterhalten.

So wird männlich sozialisierten Menschen schon von klein auf mehr Selbstbewusstsein für ihr Handeln, ihre Entscheidungen und ihre Selbstwirksamkeit in die Wiege gelegt als weiblich sozialisierten Menschen.

 

Das früheste Beispiel hierfür ist der Sprachgebrauch im Umgang mit Kleinkindern. Anpassungen der Wortwahl und Stimmlage je nach Geschlecht des Kindes passieren häufig unbewusst. Mit Mädchen wird oft in einer sanfteren Stimme gesprochen und die Kommentare beschränken sich häufig auf ihr Erscheinungsbild, beispielsweise «süss, niedlich, hübsch». Währenddessen wird bei Jungs eher eine auffordernde Tonlage angeschlagen, und die Sprecher*innen beziehen sich auf ihre Handlungen. Dabei wird der Fokus beispielsweise auf Stärke, Durchhaltewille und Sieg gelegt.

So wird männlich sozialisierten Menschen schon von klein auf mehr Selbstbewusstsein für ihr Handeln, ihre Entscheidungen und ihre Selbstwirksamkeit in die Wiege gelegt als weiblich sozialisierten Menschen. Diese Reaktion erfolgt auf eine Kategorisierung des Kindes in das männliche oder weibliche Geschlecht bloss aufgrund körperlicher Attribute.

Candace West und Don H. Zimmerman bezeichnen diesen Prozess als «Doing Gender», was zugleich der Titel ihres Artikels ist. Sie gehen davon aus, dass sich das Geschlecht aus sozialen und biologischen Komponenten zusammensetzt. Eben dieser soziale Aspekt entsteht aus der Reproduktion der gewohnten Interaktionen, woran auch gesellschaftliche und kulturelle Erwartungen geknüpft sind.

Bereits solche Prägungen in der Kindheit sind ausschlaggebend, wie sich jemand im Erwachsenenalter verhält und welche Charaktereigenschaften man entwickelt. Es sind gesellschaftliche Erwartungen, welche sich in uns als Glaubenssätze manifestieren, welche wir verinnerlichen, woran wir unsere Rolle in der Gesellschaft messen und was wir uns selbst zutrauen.

Oftmals wird hieraus der Fehlschluss gezogen, dass sich somit Männer besser für Führungspositionen eignen.

 

Diese Ideale sind auch heute noch in der Berufswelt verankert. Von Personen, die höhere Positionen besetzen, werden Qualitäten wie Durchhaltewille, Stärke, Strenge und Durchsetzungskraft erwartet. Qualitäten, die klassischerweise in einem binären Weltbild als «männliche» Attribute gelten. Oftmals wird hieraus der Fehlschluss gezogen, dass sich somit Männer besser für Führungspositionen eignen oder dass Frauen, um in eine Führungsposition zu gelangen, diese Eigenschaften annehmen müssen.

Diese Idee entspricht einem sehr hierarchischen Weltbild, in dem der Stärkere die Oberhand hat und wenig Wert auf Kommunikation auf Augenhöhe gelegt wird. Dies wirkt sich in der Realität darauf aus, dass in Branchen, in denen auch vermehrt FINTA*-Personen angestellt sind, ihre Vorgesetzten dennoch Cis-Männer sind. Dieser Mechanismus kann auch an der Universität Bern beobachtet werden: Insgesamt identifizieren sich an der Uni Bern 53 % der Angestellten als weiblich; jedoch besetzen sie nur 30 % aller Professuren.

Illustrationen: Laura Godel

An dieser Stelle möchten wir noch etwas genauer auf die spezifischen Problematiken der strukturellen, geschlechtsspezifischen Zuschreibung von Eigenschaften eingehen. Bereits die Unterteilung von Eigenschaften in «männlich» oder «weiblich» ist äusserst kritisch. Abgesehen davon, dass dadurch automatisch alle anderen Geschlechter ausgeschlossen werden, wird so davon ausgegangen, dass Charaktereigenschaften als gegeben und angeboren angesehen werden und dass diese auch oftmals mit einer Wertung einhergehen.

Mit der Wertung von Eigenschaften meinen wir, wie die Gesellschaft diese kategorisieren und welche Reaktion sie hervorrufen. Wie bereits oben erwähnt, werden als typisch «männlich» qualifizierte Eigenschaften insgesamt ernster genommen und als Stärke angesehen, unabhängig davon, wer diese aufweist. Während als typisch «weiblich» qualifizierte Eigenschaften oft als schwächer und emotionaler angesehen werden, wodurch ihnen auch eine gewisse Ernsthaftigkeit abgesprochen wird.

Das sind natürlich sehr vereinfachte und generalisierende Beispiele, aber im Kern widerspiegeln sie die Herabwertung von FINTA*-Personen. Dies zeigt sich auch in der tieferen Entlöhnung von sozialen Berufen, vor allem Care-Berufsgruppen, welche vermehrt von FINTA*-Personen besetzt sind. Oder am Beispiel des Frauenfussballs, dessen Stadien oftmals leer bleiben, da die Spiele als weniger spannend stigmatisiert werden.

Die Annahmen gegenüber dem Geschlecht beruhen auf gesellschaftlich herbeigeführten Konstrukten.

 

In den Geschlechterwissenschaften wird zwischen dem biologischen (sex) und dem sozialen (gender) Geschlecht unterschieden. Hierbei beruht das biologische Geschlecht auf rein biologischen Attributen, während das soziale Geschlecht die Verhaltensweisen einer Person bestimmt. Durch diese Weltanschauung kann aufgezeigt werden, wie ein Mensch – unabhängig des biologischen Geschlechts – stark durch das soziale Umfeld und die Erziehung beeinflusst wird. Wie Simone de Beauvoir sagt: «On ne naît pas femme, on le devient», die Annahmen gegenüber dem Geschlecht beruhen also tatsächlich auf gesellschaftlich herbeigeführten Konstrukten.

Natürlich mag es sein, dass wir gewisse Eigenschaften vermehrt bei gewissen Personen oder Geschlechtern beobachten können als bei anderen, jedoch liegt dies vielmehr an Sozialisierung statt am Geschlecht an sich. Die Sozialisierung einer Person ist also grundlegend dafür verantwortlich, welche Eigenschaften eine Person annimmt, was in unserer Gesellschaft oftmals als mit dem biologischen Geschlecht gekoppelt angesehen wird.

Gibt es nicht auch Sexismus gegen Cis-Männer?

In vielen Diskussionen wird immer wieder in den Raum geworfen, «Aber Männer können genauso von Sexismus betroffen sein!» Dies ist ein Scheinargument, das vom eigentlichen Thema ablenken soll. Um es kurz zu sagen: Ja, Cis-Männer können genauso sexuell belästigt werden oder aufgrund ihres Geschlechts ungleich behandelt werden, das wird jedoch als individueller Sexismus bezeichnet. Im Gegensatz zum strukturellen Sexismus beruht der individuelle Sexismus nicht auf einer historisch verankerten Machtstruktur. Ein sexistischer Kommentar oder ein Nicht-Einstellen eines Cis-Mannes ruft nämlich keine systematische Benachteiligung hervor, die auf tief verankerte Strukturen aufbaut.

Auf den Punkt gebracht kann also gesagt werden: In unserer Gesellschaft mit ihrer patriarchalen Vergangenheit und Gegenwart gibt es keinen strukturell verankerten Sexismus gegen Cis-Männer, genauso wenig wie es Rassismus gegen weisse Personen gibt.

Es geht uns alle was an!

Was bei dieser Debatte oft vergessen geht, ist die Tatsache, dass diese Thematik jede einzelne Person etwas angeht, einfach nur, weil wir Teil dieser Gesellschaft sind. Sie betrifft also nicht nur diskriminierte Personen und auch nicht nur jene, die aktiv und bewusst Sexismus reproduzieren. Wir sind also alle Teil des Problems, aber genauso Teil der Lösung. Um strukturell wirklich etwas ändern zu können, brauchen wir alle Geschlechter.

Doch wo soll man überhaupt beginnen? Der einfachste Schritt ist, sich selbst zu informieren und eigene Verhaltensweisen zu reflektieren. Es ist absolut nichts falsch daran, wenn jemand sich dazu entschliesst, eine «klassische» Rolle einzunehmen. Jedoch ist es wichtig zu reflektieren, ob man dies nur tut, weil es einem so beigebracht wurde, oder ob einem tatsächlich ein anderer Lebensentwurf vorschwebt, man sich jedoch nicht traut, diesen zu realisieren. Es sind in der Regel Leute in sehr privilegierten Positionen, die sich überhaupt Gedanken dazu machen können. Viele Menschen haben diese Kapazitäten gar nicht. Wir sehen aber genau deshalb jede Person, die privilegiert genug ist, sich diese Gedanken machen zu können, in der Pflicht, das zu tun.

Ausblick in die Utopie

Doch welchen Zustand streben wir genau an? Idealerweise eine Welt ohne Sexismus, aber realistisch gesehen ist das eine eher utopische Vorstellung. Daher plädieren wir dafür, dass bereits in kleinen Orten und Räumen sogenannte Safer-Spaces gebildet werden, in denen Strukturen aufgebrochen werden und Menschen auf Sexismus sensibilisiert werden.

Kritische Stimmen mögen hier Realitätsflucht vermuten. Wir argumentieren hingegen, dass es ein Blick darauf ist, was möglich wäre – ein Blick in eine Welt, in der Sexismus nicht mehr ganz so omnipräsent ist. Ebenso bieten Safer-Spaces einen Erholungsort für FINTA*-Personen, einen Ort, wo sie nicht mehr immer doppelt so viele Schritte machen müssen, um gleich schnell voranzukommen, wie ihre männlichen Kollegen.

Nur durch ständige und unermüdliche Erinnerungen und Reflexion können Safer-Spaces aufrechterhalten und weiterverbreitet werden.

 

Nachdem man sich bewusst wird, dass man selbst Teil der Reproduktionskette ist, führt der nächste Schritt aus der eigenen Komfortzone hinaus. Es gilt, auch andere Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren und auf sexistische Praktiken aufmerksam zu machen. Nur durch ständige und unermüdliche Erinnerungen und Reflexion können Safer-Spaces aufrechterhalten und weiterverbreitet werden, um nach und nach Sexismus-freie Zonen zu schaffen.

Schon nur der Gedanke daran, in einer Welt zu leben, wo jede*r so sein kann, wie er*sie möchte, ist es wert. Eine Welt, in der männlich sozialisierte Personen ihre Gefühle frei ausdrücken können, ohne als schwach bezeichnet zu werden und weiblich sozialisierte Personen das gleiche Mass an Selbstbewusstsein in die Wiege gelegt bekommen.

Darum, auch wenn es anstrengend ist und wir keine Lust mehr darauf haben, lasst uns weiter über strukturellen Sexismus reden, voneinander lernen und uns so Schritt für Schritt einer Zukunft nähern, in der Sexismus der Vergangenheit angehört.

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