What’s Camp got to do with Kitsch?

Die Architektur Antoni Gaudì, wie hier die Casa Batllò, bezeichnet Susan Sontag als Camp. (Foto: Wikimedia Commons)

22. Dezember 2022

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Wer schon mal die eine oder andere Folge «RuPaul’s Drag Race» gesehen hat oder sich für Mode interessiert, dürfte dem Begriff «Camp» schon begegnet sein. Was verbirgt sich hinter diesem Konzept aber genau und lässt es sich überhaupt verstehen?

In einem Gespräch über Stil bezeichnete eine Freundin jüngst die Inneneinrichtung grosser Kreuzfahrtschiffe als «Camp». Obwohl ich mit dieser Bewertung einverstanden bin, fällt es mir schwer, genau festzumachen, was daran camp ist.

Das liegt gewissermassen in der Natur der Sache: Als Begriff und Konzept ist «Camp» nie in Gänze fassbar. Wer sich damit auseinandersetzt, kriegt ein Gespür dafür und doch bleibt es schwierig, genau sagen zu können, wann etwas warum camp ist und was genau Camp von Kitsch unterscheidet. Es ist aber möglich, das Konzept grob zu umreissen und einige Kernelemente herauszustreichen.

Wer Camp verstehen will, kommt um die amerikanische Philosophin Susan Sontag nicht herum. Ihre 1964 veröffentlichten «Notes on „Camp“» stellen das meistzitierte Werk zu Camp dar. Darin beschreibt Sontag Camp als eine Form des ästhetischen Empfindens.

Es ist also keine fixe Idee oder bestimmte Stilrichtung. Sontag beschreibt dieses Empfinden als «gescheiterte Ernsthaftigkeit und Theatralisieren des Erlebens» und stellt es der moralistischen, ernsthaften Hochkultur gegenüber.

Künstlich und extravagant

Charakteristisch für Camp-Kunst sind Künstlichkeit, eine Liebe zum Unnatürlichen und ein Hang zum Übertreiben. Sontag schreibt dazu, Camp-Ästhetik definiere sich nicht «in Bezug auf Schönheit, sondern in Bezug auf den Grad an Künstlichkeit und Stilisierung».

Mit der Stilisierung und der Übertreibung geht eines der wichtigsten Elemente von Camp einher: Extravaganz. In der Camp-Kunst zudem bereits die künstlerische Absicht extravagant: «Camp ist der Versuch etwas Aussergewöhnliches zu tun», schreibt Sontag. Das heisst Kunst ist dann camp, wenn sie ernsthaft Grosses versucht, darin aber konsequent scheitert.

Damit Kunst camp sein kann, benötigt sie Leidenschaft, Pathos und Liebe.

 

Nach Sontag kennt Camp als Betrachtungsweise keine Moral und unterteilt nicht in gut und schlecht. Camp urteilt nicht, es geniesst, ist verspielt und «anti-ernst». Aus der Warte der Hochkultur gilt Kunst, die camp ist, deshalb oft als schlechte Kunst oder Kitsch. Synonym sind die Begriffe deswegen aber nicht. Damit Kunst camp sein kann, benötigt sie Leidenschaft, Pathos und Liebe.

Das Ergebnis ist dann oft kitschig, doch Kitsch kann auch lieblos massenproduzierter Ramsch sein. Camp wirkt übertrieben, weil es an den gesteckten Zielen scheitert und die Extravaganz dadurch fehl am Platz wirkt. Kitsch hingegen ist zu dick aufgetragen, weil die Ambition von Beginn weg fehlte.

 

Alles in Anführungszeichen

Der grosse Unterschied zwischen Camp und Kitsch liegt vor allem darin, dass sich Camp seiner Künstlichkeit und Aufgesetztheit bewusst ist. Das Aufgesetzte und Theatrale wird von Camp regelrecht zelebriert. Dazu nochmals Susan Sontag: «Camp sieht alles in Anführungszeichen.» Der Metapher vom Leben als Theater kommt dabei grosse Bedeutung zu.

  • Tiffany-Lampen sind Bestandteil des Camp-Kanons. (Foto: Wikimedia Commons).

     

 

 

 

Genau das macht Camp zu einer queeren Ästhetik. Denn wer sich bewusst ist, dass so manches im Leben eine Performance ist, wird auch Camp wertschätzen. Der Künstler RuPaul drückte es in einem Interview so aus: «Man muss die Fassade des Lebens erkennen können, es geht darum die Absurdität dieses verrückten Lebens zu sehen.»

Wer Camp versteht, kommt wohl zu einem besseren Verständnis queerer Lebenswelten und umgekehrt. Wer Camp wertzuschätzen lernt, eignet sich eine Ästhetik an, die Moral und Ernsthaftigkeit gegen Lust und Verspieltheit eintauscht. Hinter vermeintlichem Kitsch kommt Kunst zum Vorschein, die ohne hochnäsigen Dünkel genossen werden kann.

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