Berner Schoggigeschichte

Der Schriftzug am Gebäude der ehemaligen Lindt-Fabrik ist heute nur noch knapp zu entziffern. (Foto: Franziska Rothenbühler)

13. Dezember 2021

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Wer hat’s erfunden? Bern! Ein Überblick über die lange Geschichte der heimlichen Schweizer Schokoladenhauptstadt.

Teile des Schriftzugs sind noch knapp lesbar: «Fabrique de Chocolat W. Lin» steht am Gebäude in der Berner Matte geschrieben. Der Rest wurde bei einem Teilabbruch das Hauses zerstört. Dabei wurde hier einst Schokoladen-Geschichte geschrieben: In der früheren «Fabrique de Chocolat» an der Wasserwerkgasse 2 hat Rodolphe Lindt den «chocolat fin» erfunden. Er ist damit kein Einzelfall. Viele bis heute bekannte Schokolade-Marken haben ihren Ursprung in der Stadt Bern.

1814

Ein gewisser Philippe Suchard beginnt bei seinem Bruder Friedrich die Lehre. Dieser stellt an der Kramgasse 23 flüssige und feste Schokolade her. Zu Ruhm bringt es jedoch sein kleiner Bruder Philippe: Er gründet 1825 seine eigene Fabrik in Serrières (Kanton Neuenburg) und produziert bald einmal mehr als die Hälfte aller Schweizer Schokolade.

1867

Jean Tobler eröffnet ein Schokoladengeschäft in der Stadt Bern. Ursprünglich aus Appenzell Ausserrhoden stammend, spezialisiert sich Tobler auf den Verkauf von Waren anderer Schokoladenproduzenten.

1873

Ein Berner beginnt seine Lehrjahre bei seinem Onkel, dem bekannten Waadtländer Schokoladenproduzenten Charles Amédée Kohler Junior (dessen Vater hatte 1830 die Nussschokolade erfunden). Der Name des Berner Sprösslings aus gutem Hause: Rodolphe Lindt.

1879

Rodolphe Lindt gründet im Berner Mattequartier seine eigene Schokoladenfabrik. Kurz darauf gelingt ihm der grosse Wurf: Möglicherweise durch Zufall (weil er angeblich vergass, übers Wochenende die Maschinen abzustellen) entwickelt er die Conchiermethode. Schokolade war nun nicht mehr bitter und sandig, sondern aromatisch und zart. Die gesamte Schokoladenindustrie versuchte fortan Lindts Geheimnis zu knacken, lange jedoch ohne Erfolg.

1899

Die Zürcher Chocolat Sprüngli AG kauft Rodolphe Lindt seine Rezeptur ab. Seither ist das Unternehmen unter dem Namen Lindt & Sprüngli bekannt.

1900

Theodor Tobler übernimmt die neugegründete Schokoladenfabrik seines Vaters Jean, dem früheren Schokoladenhändler. Acht Jahre später entwickelt Theodor Tobler zusammen mit seinem Cousin das Rezept für die Toblerone. Unter Theodors Führung wächst das Unternehmen in der Berner Länggasse rasch; bald werden die Tobler-Schokoladen in weit über 100 Länder verkauft.

«Fabrik in Bern» steht auf der Werbung für Toblers Schokolade. (Bild: Toblerone)

1904

Der Berner Apotheker Albert Wander entwickelt die Ovomaltine. Das Rezept basiert auf den Forschungen seines Vaters Georg. Der Chemiker hatte Mitte des 19. Jahrhunderts an Rezepturen für den Kampf gegen die weitverbreitete Mangelernährung getüftelt. So wird die Ovomaltine bei ihrer Lancierung zunächst denn auch als medizinisches Präparat verkauft.

1905

Rodolphe Lindt sowie seine Verwandten August und Walter Lindt scheiden aus dem Lindt & Sprüngli-Unternehmen aus. Letztere versuchen in Bern einen Neuanfang, verlieren 1928 aber den jahrelangen Rechtsstreit um den Gebrauch des Markennamens «Lindt». Sie müssen ihr Geschäft in Bern schliessen.

1923

Bei einem Wettkampf auf dem Sportgelände der Universität Bern bietet die Firma Wander erstmals einen Verpflegungsservice mit Ovomaltine an. Seither wird Ovomaltine gezielt als Sportler*innen-Nahrung beworben.

1927

Wegen der stetig wachsenden Nachfrage verlegt Wander seine Produktion aus der Stadt Bern ins knapp 20 Kilometer entfernte Neuenegg. Dort wird die Ovomaltine bis heute produziert.

In der ehemaligen Wanderfabrik am Holzikofenweg 36 (hier ca. 1930) ist heute das Seco untergebracht. (Foto: Staatsarchiv Kt. Bern)

1929

Nach seiner kaufmännischen Lehre bei Chocolat Tobler gründet Camille Bloch seine eigene Schokoladenfabrik in Bern. Arbeiter*innen und Maschinen übernimmt er von der zuvor aufgelösten Firma von August und Walter Lindt.

1935

Camille Bloch verlegt seine Produktion nach Courtelary – auch weil im Berner Jura wegen der Uhrenkrise viele billige Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Sieben Jahre nach dem Umzug lanciert Bloch sein heute bekanntestes Produkt: Ragusa.

1970

Die beiden Unternehmen Suchard und Tobler fusionieren. 1990 wird die Firma vom Kraft Foods Konzern übernommen, der seit 2012 Mondelez heisst.

1985

In Bern-Brünnen wird eine neue Produktionsanlage für die Toblerone eingeweiht. Die gezackte Schokolade wird bis heute exklusiv im Westen der Bundesstadt hergestellt.

In der Toblerfabrik in der Länggasse ist heute die Universität untergebracht. (Foto: Staatsarchiv Kt. Bern)

2015

Choba Choba wird in Bern gegründet. Indem es seine peruanischen Kakaobäuer*innen am Unternehmen beteiligt, sucht Choba Choba neue Wege in der sozial-nachhaltigen Schokoladenproduktion.

2019

Das Ein-Mann-Unternehmen Chocobern bietet erstmals Stadtrundgänge zur Berner Schokoladengeschichte an. Mit dem geplanten Berner Schokoladenmuseum bestehen weitere Ideen zur Vermarktung der Berner Schokoladentradition.

2020

Der traditionsreiche Schokoladenproduzent Gysi Chocolatier Suisse muss seine Produktion einstellen. Das Unternehmen wurde 1931 in der Berner Innenstadt gegründet und musste 1947 dem Umbau des Berner Bahnhofs weichen. Ab dann produzierte es seine Schokolade in Bern-Bümpliz. Gysi belieferte vor allem andere Unternehmen mit Eigenmarken und verkaufte wenig unter dem eigenen Namen. Rund drei Viertel der Produktion wurden exportiert.

Heute

In Bern finden sich diverse Referenzen auf die Schoggi-Vergangenheit der Stadt. So erinnert eine Tram- und Bushaltestelle an den ehemaligen Standort der Firma Wander. Und in der ehemaligen Chocolat-Tobler-Fabrik lernen heute die Studis der Universität Bern. Von den bekannten Marken wird einzig die Toblerone noch auf Stadtberner Boden produziert. Stattdessen sind es vermehrt kleinere Confiserien, welche die Schokoladentradition in Bern aufrechterhalten.

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