Swag & Pride
Bringt die klassischen Eastcoast-Vibes zurück: Princess Nokia (Quelle: Wikipedia Commons)
In der Aussenwahrnehmung ist Hip-Hop sexistisch, konsum- und gewaltverherrlichend. Hip-Hop ist als Mittel zum Ausdruck der Unterdrückten in seinem Ursprung aber auch betont politisch und anschlussfähig für alle marginalisierten Gruppen der Gesellschaft. Zum Beispiel Queers.
Ich liebe Hip-Hop. Als Soundtrack meiner Teenagerjahre war das Genre nicht zuletzt mitverantwortlich für meine politische Bildung. Neben dem Musikalischen und der sprachlichen Verspieltheit faszinierte mich schon immer das emanzipatorische Potential von Hip-Hop. Als Subkultur der nichtweissen Stadtteilen amerikanischer Metropolen, bot er seit seinen Anfängen Marginalisierten die Möglichkeit zum künstlerischen Ausdruck. Das heisst natürlich nicht, dass Hip-Hop frei von Diskriminierung ist. Kein Bereich der Gesellschaft ist frei von den Machtstrukturen und den Denkmustern des Patriarchats, des Kapitalismus oder anderen tradierten Wertvorstellungen. So haben es auch immer wieder Sexismus, Queerfeindlichkeit, Antisemitismus und diverse andere Formen der Diskriminierung in den Hip-Hop geschafft; dies manifestiert sich sowohl in den Texten wie auch in den Strukturen der Szene und der Musikindustrie. Im Kern blieb er aber immer die Kultur der Blockpartys, in der jede*r mit Talent und ohne grossem Aufwand oder mit viel Vitamin B Anerkennung finden kann. Gerade das macht die emanzipatorische Kraft von
Hip-Hop aus. Und gerade deshalb ist es umso erfreulicher, feiern in letzter Zeit gerade queere Hip-Hop-Artists Erfolge.
Die ganze Bandbreite
Obwohl Queer-Hip-Hop manchmal als Genrebezeichnung benutzt wird, handelt es sich nicht um ein Subgenre im eigentlichen Sinn. Wer sich auf der Streamingplattform des Vertrauens durch die einschlägigen Playlists hört oder anderweitig nach entsprechenden Künstler*innen sucht, stellt fest: Hier ist Hip-Hop in all seinen Spielarten zu finden. Die Bandbreite geht von Battlerap über klassischen Boom-Bap und autotunelastigem Trap zu Mischformen mit Soul und RnB. Manche Texte sind politisch andere sind es gar nicht, in manchen wird das Queersein thematisiert in anderen nicht. Ein Gesamteindruck hat sich mir dann aber doch ergeben: Insgesamt erscheint die Musik dieser Interpret*innen besonders innovativ und experimentierfreudig. Ich möchte hier drei queere Hip-Hop-Artists vorstellen, die nach meinem Geschmack besonders herausstechen.
Goth Kid & Tomboy
In den USA ist sie den Kenner*innen schon seit längerem ein Begriff und langsam wächst die Bekanntheit von Princess Nokia auch in Europa. Die New Yorkerin rappt über häufig samplelastige Beats, die Nokias Bezug zum klassischen East-Coast verdeutlichen. Das heisst aber nicht, dass sie deswegen veraltet oder gar nostalgisch klingt. Vielmehr zeichnen sich die Instrumentals durch ihre Zeitlosigkeit aus und Nokias Flow ist state of the art. Auffällig ist hierbei, dass die Rapperin für das Genre ungewöhnlich oft mit ihrer Stimmlage spielt. Das geschieht ganz gezielt: Auf schnellen Beats kommt ihre hohe Stimme, mit der sie explosiv und präzis auf den Takt rappt, wie zum Beispiel auf «Kintana». Bei den langsameren Tracks wie «Goth Kid» stellt Nokia ihre Stimme besonders tief und kombiniert das Ganze mit einem schleppenden und etwas verschlafen wirkenden Flow – wahnsinnig virtuos. Genauso abwechslungsreich sind auch die Texte von Princess Nokia. Natürlich spielt dabei ihre Queerness eine Rolle, wie etwa bei «Tomboy».
Princess Nokias Flow ist state of the art.
Empowerment aus Kapstadt
Sie war für mich die Entdeckung am Queens* of Hip-Hop Festival in Bern diesen Sommer. Dope Saint Jude aus Kapstadt lieferte auf der Warmbächli-Brache eine regelrechte Powershow ab. Auf ihren Tracks – die vom Tempo her an Hip-Hop und Grime aus Grossbritannien erinnern – finden sich zudem dezidiert politische Lyrics. In intersektionaler Manier bringt sie Gender-, Rassen- und Klassenproblematiken zur Sprache, «Brown Baas» ist dafür ein gutes Beispiel. Hier wird klar, die Künstlerin ist heavy with the theory. Dope Saint Jude tritt zudem mit einem Selbstvertrauen auf, das auf die Hörer*innen überschwappt. Wer ihre Musik hört fühlt sich unweigerlich empowered. Dieser Effekt wird durch die pathetischen Beats verstärkt, die Saint Jude selber produziert und für die sie auch schon mal klassische Musik sampled. So ist etwa das Leitthema des Instrumentals von «Spose 2b» ein Sample des Klavierkonzerts Nr. 1 von Tschaikowski.
Dope Saint Jude tritt mit einem Selbstvertrauen auf, das auf die Hörer*innen überschwappt.
Eine gehörige Portion Sassyness
Wieder zurück an die amerikanische Ostküste. Le1f kommt wie Princess Nokia aus New York, anders als diese wuchs er aber in Manhattan auf. Der ausgebildete Tänzer fiel zuerst als Produzent der Gruppe «Das Racist» auf, bevor er selbst mit dem Rappen begann. Seinen Stil zu beschreiben fällt schwer, unter anderem auch deshalb, weil er sehr vielseitig ist. Was aber auffällt ist seine Stimme. Le1f bringt eine Attitüde in seine Aussprache, die in dem Game seinesgleichen sucht. Ähnlich wie Princess Nokia bringt er damit ein Stilmittel in den Hip-Hop, das bisher gefehlt hat. Ausserdem verleiht Le1f seinen Punchlines damit eine gewisse Sassyness.
Musikalisch ist der Rapper so ziemlich auf der Höhe der Zeit. Seine Beats klingen frisch und neu, Einflüsse aus Grossbritannien sind klar erkennbar. Auch seine Texte lassen erahnen, dass er sich mit Intersektionalismus auseinandergesetzt hat: «Ask a gay question, here’s a black answer.»
Queere Interpret*innen können im Hip-Hop nach wie vor subversiv sein und ihren Platz einfordern.
Hip-Hop bleibt relevant
Was alle drei Künstler*innen gemeinsam haben, ist eine unglaubliche Freshness: Sie bringen alle auf ihre Art Innovation in den Hip-Hop. Das tut dem Genre sicher gut. Hip-Hop ist unter anderem deshalb seit den Siebzigerjahren aktuell geblieben, weil er immer neu interpretiert wurde. Dass mit Künstler*innen wie den oben porträtierten nun queere Themen Inhalt von Raplyrics sind, hält denn auch die gesellschaftliche Relevanz des Genres hoch. Selbstverständlich gibt es auch queere Interpret*innen in anderen Musikrichtungen, doch nur im Hip-Hop können sie nach wie vor subversiv sein und ihren Platz einfordern. Als Vertreter*innen der grössten Jugendkultur zeigen queere Hip-Hop Artists zudem jungen Queers, dass auch sie in dieser Kultur, in der Musikbranche und in der Gesellschaft stattfinden können und dürfen. Oder, um es in Dope Saint Judes Worten zu sagen: «It’s my right to flex and it’s my right to shine.»