Wir sind keine RassistInnen
Illustration: Alice Fankhauser
Racial Profiling – ein institutionelles Problem in den Schweizer Polizeikorps? Der Aufarbeitung dieser Frage steht ein enges Rassismusverständnis im Weg.
Der Tag neigt sich dem Ende zu. Die PendlerInnenströme sind vorübergezogen, der Zug von Biel nach Solothurn höchstens viertelvoll. Yasemine*, 22, sitzt alleine in einem Viererabteil. Sie kommt vom Sportunterricht und hat noch die Trainerhosen an. Mitten auf der Strecke betreten zwei Männer mit suchenden Blicken den Zugwaggon. Als sie Yasemine erblicken, halten sie direkt auf sie zu. Es handelt sich um zivile Fahnder. Ausweiskontrolle. Yasemine ist die einzige dunkelhäutige Person im Waggon. Für sie ist es eine neue Erfahrung, belastend und unangenehm. Dennoch fragt sie nach, warum sie nun kontrolliert wird. Um abzuklären, ob sie legal hier sei, heisst es dann. Als Yasemine ihre Identitätskarte zückt, zeigen sich die Fahnder zufrieden und lassen sie mit einem mulmigen Gefühl zurück. Yasemines Vertrauen in die Polizei kränkelt, durch solche Situationen wird es weiter belastet. Als Polizisten hat sie die Fahnder nicht erkannt, folglich hat die Präsenz der beiden auch nichts an ihrem Verhalten verändert. Dass sie dennoch kontrolliert wird, ist ein klassisches Exempel für Racial Profiling.
Zu Personenkontrollen kommt es, wenn PolizistInnen auffälliges Verhalten feststellen. So steht es im Lehrbuch. Oftmals geschehen Kontrollen aber nicht aufgrund des Verhaltens der untersuchten Personen, sondern aufgrund deren physischen Erscheinungsbildes. Wenn dann die Hautfarbe zu einem ausschlaggebenden Argument für oder gegen eine Kontrolle wird, handelt es sich um Racial Profiling.
Unklare Rechtssituation
Eine konkrete Rechtssprechung zu Racial Profiling steht bisher aus. Wann eine Personenkontrolle als rassistisch motiviert gilt und damit gegen das Recht verstösst, ist daher Gegenstand von Diskussionen. Die Meinungen gehen auseinander. Tarek Naguib ist Jurist, forscht an der Universität Freiburg mit Schwerpunkt auf Diskriminierungsschutz und hat sich intensiv mit der Thematik befasst. Gestützt auf die Europäische Menschenrechtskonvention und das in der Bundesverfassung festgehaltene Diskriminierungsverbot erachtet er eine Polizeikontrolle als rechtswidrig, wenn im Vorfeld sowie im Zuge ebendieser rassialisierte Merkmale ein «Motiv in einem Motivbündel», sprich einen mitentscheidenden Faktor, darstellen. Anders sehen es VertreterInnen der Polizei. Für sie ist eine Kontrolle erst dann widerrechtlich und rassistisch motiviert, wenn sie ausschliesslich auf rassialisierte Merkmale gestützt durchgeführt wird. Stefan Blättler, Polizeikommandant der Kantonspolizei Bern, äusserte sich diesbezüglich an einer Tagung des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SMRK) eindeutig: «Die Hautfarbe eines Menschen darf nie das alleinige Kriterium für eine polizeiliche Personenkontrolle sein.»
«Mitten auf der Strecke betreten zwei Männer mit suchenden Blicken den Zugwaggon. Als sie Yasemine erblicken, halten sie direkt auf sie zu. Es handelt sich um zivile Fahnder. Ausweiskontrolle.»
Die Differenzen in der Wahrnehmung der rechtlichen Grundlagen von Personenkontrollen werden möglicherweise im kommenden Jahr durch einen Prozess ausgetragen, der zum Präzedenzfall avancieren könnte. Mohamed Wa Baile hat seine Beschwerde gegen eine Personenkontrolle durch die Stadtpolizei Zürich bis vors Bundesgericht gezogen. Rund um seinen Fall wurde die Allianz gegen Racial Profiling gegründet, in der auch Tarek Naguib aktiv ist. Wa Baile ist der erste Betroffene, der den Weg durch die Gerichte so weit gegangen ist. Das hat seine Gründe. So sind bisher 18’000 Franken an Prozesskosten angefallen. Dazu gesellen sich weitere Hindernisse, wie Tarek Naguib darlegt: «Ganz unabhängig von den Hürden beim Zugang zum Recht muss festgehalten werden, dass es für Betroffene sehr schwierig ist, mit solchen Situationen umzugehen. Der allergrösste Teil behält dieses Gefühl der Herabwürdigung bei sich und will sich gar nicht erst exponieren. Also sprechen wir schon mal von einem sehr kleinen Teil der Betroffenen, die sich überhaupt überlegen, rechtliche Schritte anzugehen. Und dieser kleine Teil würde weiteren massiven Hürden ausgesetzt: Exponierung, finanzielles Risiko, schwierige Beweislage und Problematik der Unabhängigkeit der Untersuchung.» Dementsprechend gingen auch wenig Beschwerden aufgrund rassistisch wahrgenommener Personenkontrollen bei der Kantonspolizei Bern ein: «Bislang sind bei uns pro Jahr maximal drei Beschwerden eingegangen, welche allesamt sorgfältig geprüft wurden. Racial Profiling wurde jedoch in keinem Fall festgestellt.», schreibt Polizeikommandant Stefan Blättler. Wieviele Menschen von rassistischen Personenkontrollen betroffen sind und keine Beschwerde einreichen, bleibt währendessen Gegenstand von Spekulationen.
Quittungen – ein Lösungsansatz?
Im Februar dieses Jahres hiess der Berner Stadtrat ein Pilotprojekt gut, das diesbezüglich Licht ins Dunkel bringen könnte. Eine mit deutlicher Mehrheit angenommene interfraktionelle Motion forderte die Etablierung eines Systems, das PolizistInnen auf städtischem Boden dazu verpflichtet, bei Personenkontrollen eine Quittung auszustellen. Laut einer Medienmitteilung der Alternativen Linken Bern, Hauptinitiantin der Motion, soll dies dazu führen, «dass Personenkontrollen bewusster und nur bei Vorliegen hinreichender Gründe durchgeführt werden.» Ob das Quittungssystem rassistisch motivierte Personenkontrollen tatsächlich eindämmen würde, sei dahingestellt. Vor allem würde es aber ermöglichen, Racial Profiling quantitativ messbar, die Tragweite des Phänomens überhaupt sichtbar zu machen.
«Bislang sind bei uns pro Jahr maximal drei Beschwerden eingegangen, welche allesamt sorgfältig geprüft wurden. Racial Profiling wurde jedoch in keinem Fall festgestellt.»
Bei der Umsetzung der Motion stellt sich ein grundlegendes Problem, wie aus der Antwort des Gemeinderates ersichtlich wird: «Für den Vollzug polizeilicher Kontrollen sind die Kantonspolizei Bern, bzw. die entsprechenden Polizeikorps zuständig und verantwortlich. Aus politischer und rechtsstaatlicher Sicht kann sich der Gemeinderat in generell-abstrakter Weise durchaus zum vorliegenden Thema äussern. Der Gemeinderat verfügt allerdings weder über Weisungs-, Aufsichts- noch Untersuchungsbefugnisse im umschriebenen Bereich.» Damit liegt der Ball bei der Führung der Kantonspolizei. Dort weigert man sich aber, das Problem anzuerkennen. In ihrem Bericht zur erwähnten Motion an den Gemeinderat stellt die Polizeiführung in aller Deutlichkeit klar: «Racial Profiling wird von der Kantonspolizei Bern nicht betrieben und nicht toleriert.» Folgerichtig lohnt es sich für die Kantonspolizei auch nicht, Racial Profiling durch ein Quittungssystem anzugehen. So könnte die fehlende Weisungsbefugnis der Gemeinde in diesem Fall dazu führen, dass die Kantonspolizei die Einführung des Quittungssystems blockieren wird. Verändert sich die Haltung der Polizeiführung nicht, ist davon auszugehen.
Eine missinterpretierte Studie
In Zürich zeigt sich der zuständige Sicherheitsdirektor aufgeschlossener. Richard Wolff von der Alternativen Liste thematisiert Racial Profiling und schliesst nicht aus, dass das damit umschriebene Phänomen im Rahmen von Personenkontrollen durch die Stadtpolizei Zürich vorkommen kann. Dass Racial Profiling ein systematisches Problem innerhalb der Zürcher Polizei darstellt, bestreitet er. Auch Wolff argumentiert mit der geringen Anzahl Beschwerden. Des weiteren beruft er sich auf eine – notabene durch ihn veranlasste – kürzlich veröffentlichte Studie des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR). In der entsprechenden Medienmitteilung des Sicherheitsdepartements der Stadt Zürich heisst es: «Das SKMR kommt zum Schluss, es gebe keine systematischen rassistischen Kontrollen. Es schliesst aber auch nicht aus, dass Racial Profiling als Fehlverhalten Einzelner vorkommen kann.»
Damit missinterpretiert Wolffs Sicherheitsdepartement die Studie. Die VerfasserInnen der Studie stellen klar: «Entgegen der Berichterstattung in verschiedenen Medien zu dieser Studie sind Datenerhebungen, bzw. empirische Untersuchungen zur Frage, ob und inwieweit Racial / Ethnic Profiling im Polizeialltag in der Stadt Zürich tatsächlich vorkommt, nicht Gegenstand der Studie. Die Studie setzte sich einzig mit den juristischen Aspekten von Racial / Ethnic Profiling auseinander.» Dass ein Stadtrat eine eigens in Auftrag gegebene Studie so eindeutig falsch präsentiert, mutet merkwürdig an. Eine kritische Auseinandersetzung, geschweige denn eine Richtigstellung der städtischen Medienmitteilung, lässt bisher auf sich warten – sowohl seitens der Stadt als auch seitens der Medien. Man scheint froh zu sein um jeden Beleg, der einem Rassismusproblem im Korps der Stadtpolizei Zürich widerspricht.
Enges Rassismusverständnis
Die unerbittliche Suche nach Argumenten, die den Vorwurf rassistisch motivierter Polizeikontrollen entkräften, ist Ausdruck einer Abwehrhaltung, die seitens der Polizei immer wieder auftaucht. Auch Stefan Blättler betont gegenüber der bärner studizytig, dass er wenig Verständnis habe für öffentliche Anschuldigungen, welche seine Polizistinnen und Polizisten vorverurteilen – will das wörtliche Zitat später allerdings nicht autorisieren, da er es aus dem Kontext gerissen sieht. Dabei richtet sich die Kritik im Zusammenhang mit Racial Profiling nicht an einzelne PolizistInnen, sondern an ein strukturelles Problem. Die Abwehrhaltung Blättlers ist darauf zurückzuführen, wie Rassismus in unserer Gesellschaft verstanden wird. Tarek Naguib spricht von einem engen Rassismusverständnis: «Rassismus wird als fehlerhafte Einstellung bei einzelnen extremen Personen wahrgenommen.» Dass individueller und offener Rassismus nicht willkommen geheissen wird, ist zwar begrüssenswert, geht jedoch oft damit einher, dass die gesellschaftlich-selbstreflexive Komponente wegfällt. Für Naguib drückt sich dieses Dilemma auch in der Schweizer Rassismusstrafnorm aus: «Zum einen hat es die Rassismusstrafnorm gebraucht und sie hat uns sehr wichtige Fortschritte gebracht. Es ist wichtig, dass man dadurch öffentlich-hetzerische Aussagen sanktionieren kann. Ob das nun eine gute Massnahme ist, wie man mit Rassismus umgehen soll, ist wiederum zweifelhaft. Denn das Risiko besteht, dass man dadurch die Strafnorm als Referenz nimmt, was rassistisch ist und was nicht. Dies ist auch insbesondere bei den Medien zu beobachten, wo oft die einzige Frage ist, ob nun gegen die Strafnorm verstossen wurde.»
«Es ist wichtig, dass man dadurch öffentlich-hetzerische Aussagen sanktionieren kann. Ob das nun eine gute Massnahme ist, wie man mit Rassismus umgehen soll, ist wiederum zweifelhaft.»
Fakt ist: Rassismus ist ein historisch und strukturell gewachsenes Prinzip, welches unsere Gesellschaft strukturiert. Im Gegensatz zu weissen Menschen, die als normal angesehen werden, sehen sich schwarze Menschen häufig mit stereotypen Bildern versehen. Von rassistischen Vorurteilen sind auch PolizistInnen nicht befreit. In seiner Masterarbeit über Racial Profiling in der Stadt Bern zählt Daniel Egli die häufigsten rassialisierten Zuschreibungen auf, die zu Personenkontrollen führen: People of Color seien keine SchweizerInnen, People of Color seien kriminell und People of Color seien im Drogenhandel aktiv. Egli zeigt auf, wie diese Stereotypen in der polizeilichen Praxis ihre Wirkung entfalten und mit welchen Folgen dunkelhäutige Menschen umgehen müssen: «Dadurch, dass die Polizei bei People of Color mehr Kriminalität erwartet und diese deshalb auch stärker kontrolliert, wird das gesellschaftliche Klischee des ‹kriminellen Schwarzen› genährt, was der Polizei wiederum eine höhere Rechtfertigung für ein potentiell rassistisches Verhalten verschafft. Für die Betroffenen kann dies schikanierend und anstrengend sein. […] Betroffene betonen, dass sie zwar immer wieder von der Polizei mit Kriminalität in Verbindung gebracht werden, sie jedoch noch nie von der Polizei einer kriminellen Handlung überführt werden konnten.»
Sonniger Tag im Juni diesen Jahres. Paul* kommt vom Bahnhof Bern und spaziert das Bollwerk runter. Er ist auf dem Weg in die Reitschule, wo er inzwischen seit mehr als zwei Jahren arbeitet. Heute jedoch ist sein freier Tag. Er ist verabredet; Zmittag im Restaurant Sous Le Pont. Als er an der letzten roten Ampel wartet, erspäht er vis-à-vis auf der Schützenmatte zwei patrouillierende Polizisten. Nach einem flüchtigen Blickkontakt verstecken sich die beiden hinter dem WC-Häuschen. Paul ahnt bereits, was als nächstes passiert. Kurz erwägt er umzukehren und den Abzug der Beamten abzuwarten. Er entscheidet sich dagegen. Kaum hat er die Strasse überquert, springen die Polizisten aus ihrer Deckung. Ausweiskontrolle. Nachdem Paul in berndeutschem Dialekt erklärt, er habe seine Identitätskarte nicht dabei, lassen sie ihn passieren. Paul ist froh, einer genaueren Untersuchung entgangen zu sein. Nicht immer kommt er so glimpflich davon. Dann fühlt er sich gelähmt, traut sich nicht, die Konfrontation zu suchen. Obwohl gesetzlich dazu verpflichtet, bleiben PolizistInnen auch auf Nachfrage eine explizite Begründung für Kontrollen oft schuldig. Für Paul steht fest: Zur Zielperson macht ihn seine Hautfarbe.
Die Verantwortung der Autoritäten
Racial Profiling ist ein Problem. Eine einfache Lösung ist nicht absehbar. Zu fundamental greift der dahinterstehende Rassismus sowohl in die zivilgesellschaftlichen als auch in die institutionellen Strukturen der Polizei ein. Der Prozess, der potenziell zu einer schrittweisen Eindämmung rassistisch motivierter Personenkontrollen führen kann, lässt sich in die folgenden drei Schritte unterteilen: Anerkennung von Racial Profiling als institutionelles Problem der Polizei, umfassende Dokumentation der Problematik und Ausarbeitung konkreter Massnahmen, um rassistisch motivierten Personenkontrollen entgegenzuwirken.
In den letzten Jahren hat sich in der Zivilgesellschaft eine Diskussion entwickelt. Die Bewegung gegen Racial Profiling steckt zwar noch in ihren Kinderschuhen, beschreitet mit der Thematisierung der Problematik jedoch die zu gehenden Wege. Nennenswerte Beispiele sind das juristische Verfahren um Mohammed Wa Bailes Beschwerde gegen eine rassistisch wahrgenommene Personenkontrolle der Stadtpolizei Zürich und die Annahme des Quittungssystems in Bern. In beiden Fällen liegt es nun an den Autoritäten, einen konstruktiven Dialog zu Racial Profiling und strukturellem Rassismus in die Gänge zu leiten. Halten sowohl das Bundesgericht als auch PolizeivertreterInnen wie Stefan Blättler und politisch Verantwortliche wie Richard Wolff daran fest, Racial Profiling nicht als institutionelles Problem der Polizei zu betrachten, verhindern sie auch die Entwicklung des Prozesses zur Überwindung von Racial Profiling. * Namen geändert
Wir sind alle RassistInnen.
Von Julius KoppDas soll nicht heissen, dass wir alle in denselben Kategorien denken und den Kontakt zu Menschen mit anderen Hautfarben oder ethnischen Hintergründen meiden wollen oder sollen. Vielmehr ist es eine zentrale Aussage zum Wesen unserer Gesellschaft: Fragen nach rassialisierten und ethnischen Zugehörigkeiten sind strukturprinzipielle Fragen, die unsere Umwelt entscheidend mitgestalten. Diese Erkenntnis verunsichert, ist aber die fundamentale Bedingung für eine wahrhaftige antirassistische Auseinandersetzung. Ähnlich dem feministischen Kampf für die Emanzipation der Frau wird es zukünftig an antirassistischen Bewegungen liegen, die Anerkennung von Rassismus als ein strukturelles Problem zu fordern, um die Diskussionsgrundlage für dessen Bewältigung zu schaffen. Im Zentrum sollten Menschen stehen, die von Rassismus unterdrückt und marginalisiert werden. Bei allem Konstruktivismus darf aber nicht vergessen werden, dass Struktur nicht im luftleeren Raum entsteht. Im Zuge der Nationalstaatenbildung entstand mit der Staatsbürgerschaft ein neuer Mechanismus der gesellschaftlichen In- sowie Exklusion. Die damit einhergehenden ethnisierenden Prozesse mündeten in Vorstellungen einer sogenannten Kulturnation, die auf oberflächliche Merkmale zentrierten Ein- und Ausschlusskriterien baut und diese weiter fördert. Vor diesem Hintergrund sind auch rassistisch motivierte Polizeikontrollen zu verstehen. Erst wenn die strukturellen Vorbedingungen für Rassismus auf dieser Ebene gesellschaftlich verhandelbar werden, kann dem Rassismus schrittweise ein Riegel vorgeschoben werden. Dafür braucht es eine engagierte Zivilgesellschaft, eine systematische Analyse der Verhältnisse und das Einlenken der Autoritäten.
Es ist zwar lobenswert, auf die Thematik einzugehen; allerdings fehlte mir die Frage nach dem Warum, wenn es denn systematisches RP gäbe (auf die Frage, ob es diese gibt, will ich hier gar nicht eingehen). Fakt ist, dass die Polizei effizient vorgehen muss; gleichzeitig gibt es ethnische Gruppierungen, die aufgrund ihrer sozial-ökonomischen Situation überproportional straffällig werden – auch das ist Fakt. Somit ist es nicht Rassismus (im Sinne von gedachter biologischer Minderwertigkeit/Abwertung), welche die PolizistInnen veranlasst, überproportional viele Kontrollen z.B. bei dunkelhäutigen Personen durchzuführen, sondern statistische Signifikanz. Dasselbe geschieht übrigens auch im Ausgang in Bern, wenn dort übermässig viele Personen… Zeig mir mehr! »
Grundsätzlich ist das mit der Kriminalstatistik immer so eine Sache. Dass zB gewisse ethnische Gruppierungen überproportional straffällig (und übrigens noch stärker strafrechtlich beschuldigt) werden, kann – wie du richtig sagst – mit sozioökonomischen und demographischen Merkmalen grösstenteils aufgelöst, resp. erklärt werden. That said – meiner Meinung nach reproduzieren sich solche Statistiken auch selbst, und das Effizienzargument, welches seitens der Polizei immer wieder gebracht wird, ist hier das Paradebeispiel. Der entschiedende Punkt ist doch, dass FahnderInnen nicht nach sozioökonomischen Bedingungen profilen KÖNNEN, weil man diese den Menschen kaum ansieht, und deshalb auf ethische Merkmale ausweichen. Das hat zwar vielleicht aus einer… Zeig mir mehr! »
So wie ich das sehe, sind wir uns bezüglich der sozioökonomischen Bedingungen einig und dass diese die meiste Straffälligkeit erklären – und dort sollte gute, linke Politik ja auch ansetzen. Ich sehe auch dein Argument ein, dass nicht erfasste kriminelle SchweizerInnen solche Statistiken zu Ungunsten der Andersaussehenden verzerren können. Allerdings fühle ich, dass uns eine andere Definition von Rassismus zugrunde liegt: Wenn eine Handlung unterbewusst oder gar strukturell-effizienztechnisch zu erklären ist, ist das für mich noch lange kein Rassismus. Michael Schmidt Salomon (deutscher Philosoph) weist in seinem Buch „Grenzen der Toleranz“ auf diese Diskrepanz zwischen Rassismus im effektiv biologischen Sinn… Zeig mir mehr! »
Nur weil ich bei 100 kontrollierten People of Color einen Treffer lande, bin ich noch lange nicht effizient. Vielmehr habe ich im schlimmsten Fall 99 Mal Misstrauen bei unschuldigen Mitbürger*innen hervorgerufen.
Zwei Denkanstösse zum Thema Effizienz/Ineffizienz des Racial Profiling:
https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/racial-profiling-macht-die-polizei-ineffizient/story/12382295#overlay
https://www.humanrights.ch/de/menschenrechte-themen/rassismus/rassistisches-profiling/schweiz/betroffene-expertinnen