Eisbaden

21. Dezember 2024

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Das Phänomen des Eisbadens hat in den letzten Jahren einen Aufschwung erhalten. Langjährige Eisbader*innen schwärmen von der Erfrischung, Erholung und einem stärkeren Immunsystem. Aber was ist wirklich daran?

Um dem Phänomen des Eisbadens auf den Grund zu gehen, habe ich mich diesen Winter dieser Challenge gestellt und habe dabei bemerkt: Es ist grösstenteils nur Kopfarbeit und es macht sogar Spass! Aber von Anfang an, was ist «Eisbaden» eigentlich?

Begriffserklärung

Es kursieren verschiedene Bezeichnungen für diese Art der Kälteexposition. Von «Eisbaden» wird gesprochen, wenn man sich in Wasser mit Temperaturen um die 0° Celsius begibt. «Winterbaden» deckt eine weitere Temperaturbreite ab. Darunter fällt bspw. auch das Aarebaden, welches man idealerweise ab dem Sommer und dann den ganzen Winter über durchzieht. Dadurch hat man bereits eine perfekte Angewöhnungsphase.

Auf die winterlichen Temperaturen bereitet man sich am besten mit einer kalten Dusche vor oder indem man den ganzen Herbst hindurch regelmässig ins Wasser geht. Langsam steigern ist die Devise.
Um den Fortschritt nicht zu verlieren ist es am besten, wenn man regelmässig ins Wasser geht. Um die maximalen Effekte zu erzielen, sollte man jeden zweiten Tag gehen. Einmal pro Woche reicht aber auch aus.

Neben der Kältetherapie im Wasser gibt es auch die GKKT. GKKT steht für Ganzkörperkältetherapie und hat etwa die gleiche Wirkung wie ein kaltes Bad. Hier begibt man sich jedoch nicht in kaltes Wasser, sondern in eine Eis-Sauna, in welcher die Luft zwischen -80° und -120° Grad kalt ist. Der Unterschied hier ist, dass die Luft die Kälte weniger gut in den Körper leitet als das Wasser. Dies müssen besonders Sportler*innen beachten, damit ihre Muskeln durch die Kälte nicht im Wachstum gehindert werden.

Aber wieso würde man sich dieser unangenehmen Kälte aussetzen? Was sind die kurzfristigen und langfristigen Effekte?

Über die Kältetherapie gibt es bisher relativ wenig klare wissenschaftliche Erkenntnisse. Einige kurz- und langfristigen Effekte konnten aber bereits belegt werden.

Langfristige Effekte

Einige bereits bekannte langfristige Effekte sind die Stärkung des Immunsystems, die Reaktivierung des braunen Fetts und die Förderung der Durchblutung.
Der bekannte Eisbader Wim Hof nutzt die Kälte als Teil seines Trainings. So kann er beispielsweise sein autonomes Nervensystem ausschliesslich durch seinen Willen steuern und seinen Körper zu Höchstleistungen treiben. Wer sich dafür interessiert, kann sich auf seiner Website näher informieren, ein Seminar buchen oder ein Video-Package für zuhause bestellen.

Auch wenn man nicht der nächste Wim Hof werden will, ist eine kontrollierte Atmung eine grosse Hilfe, um das Nervensystem zu beruhigen und das kalte Wasser besser auszuhalten.

Aber mal abgesehen davon, was macht die Kälte allein?

Durchblutung

Kältebaden soll die Durchblutung fördern.
Dies lässt sich folgendermassen erklären:
Wenn wir unseren Körper der Kälte aussetzen, ist dies für uns (und den Körper) ein kurzer Schock – das sympathische Nervensystem wird aktiviert. Der Herzschlag und der Blutdruck steigen und gleichzeitig wird die Durchblutung unseres Gehirns verringert.
Die Blutgefässe ziehen sich schlagartig zusammen, um den Verlust des noch verbleibenden wertvollen warmen Blutes zu verhindern. Um die Funktion der lebenserhaltenden Organe so lange wie möglich zu gewährleisten, zieht der Körper das Blut aus den Akren (dies ist eine Bezeichnung für die «Enden des Organismuses» wie Hände, Füsse oder Ohren) und versorgt diese nicht mehr genügend mit Blut.
Würde man nun noch unter das Wasser tauchen, würde der Tauchreflex aktiviert werden. Dies ist ein Effekt des parasympathischen Nervensystems und bewirkt das genaue Gegenteil des sympathischen Nervensystems. Der Körper wird darauf vorbereitet, möglichst lange ohne Luft auszukommen. Dies funktioniert am besten, wenn das ganze System im Ruhezustand ist. Der Herzschlag und die Atmung werden also verlangsamt und der Blutdruck nimmt ab.
Diese gegenteiligen Anweisungen unseres Gehirns können das Herz und den Kreislauf überfordern und im schlimmsten Fall sogar zu einer Herzrhythmusstörung führen.

Menschen mit Herzproblemen, Diabetes oder Gefässerkrankungen sollten vor dem Winterbaden eine ärztliche Abklärung machen lassen!

«Auf die winterlichen Temperaturen bereitet man sich am besten mit einer kalten Dusche vor oder indem man den ganzen Herbst hindurch regelmässig ins Wasser geht. Langsam steigern ist die Devise.
Um den Fortschritt nicht zu verlieren ist es am besten, wenn man regelmässig ins Wasser geht. Um die maximalen Effekte zu erzielen, sollte man jeden zweiten Tag gehen. Einmal pro Woche reicht aber auch aus.»

Wenn die Blutgefässe regelmässig diesem Wechsel von Zusammenziehen und Erweitern ausgesetzt sind, führt dies zu einer Förderung der Durchblutung und einer Anregung des Kreislaufs. Nach einiger Zeit im kalten Wasser kann sich die Haut deshalb auch rot verfärben, was ein Zeichen von guter Durchblutung ist.

«Da Eisbaden zusätzlicher Stress für den Körper ist, sollte man nur gehen, wenn man sich wirklich gesund fühlt!»

Immunsystem

Langjährige Eisbader*innen sagen von sich selbst, dass sie seltener krank werden oder zumindest weniger intensiv. Und dies ist nicht nur persönliches Empfinden, sondern ist sogar wissenschaftlich belegt. So wurde herausgefunden, dass Kältebader*innen eine erhöhte Anzahl der weissen Blutkörperchen (Leukozyten) haben. Diese sind für die Infektionsabwehr in unserem Körper zuständig.
Bei zu intensivem Eisbaden ist aber auch das Gegenteil möglich. Gönnt man dem Körper keine Pausen, kann man ihn dadurch schwächen und die Leukozyten-Anzahl nimmt sogar ab. Es gilt auch hier, dass es durchaus zu viel des Guten gibt.

Da Eisbaden zusätzlicher Stress für den Körper ist, sollte man nur gehen, wenn man sich wirklich gesund fühlt!

Braunes Fett

Während man früher noch gedacht hat, dass braunes Fett nur bei Babys und Säugetieren vorkommt, hat nun die Forschung ergeben, dass braunes Fett auch im Körper von Erwachsenen vorhanden ist. Dieses befindet sich aber buchstäblich in einem Sommerschlaf.

Doch was ist braunes Fett?

Während sich das weisse Fett an Stellen wie am Bauch oder an den Oberschenkeln ansammelt, findet man das braune Fett oberhalb des Schlüsselbeins, am Hals und entlang der Wirbelsäule. Es wird «braunes Fett» genannt, weil es wegen der erhöhten Mitochondrien-Anzahl eine bräunliche Färbung hat. In diesen Mitochondrien kann durch Oxidation Fettsäure zu Wärme umgewandelt werden. Das braune Fett ist also unser körpereigener Heizofen, der Kalorien in Wärme umwandelt. Gemäss Schätzungen brauchen 50g braunes Fett bereits 300 Kilokalorien pro Tag.
Von einigen Forschern wird es deshalb als das neue Schlankheitsmittel gegen Übergewicht angesehen, wobei seine positiven Effekte viel weitreichender sind!  Durch die Umwandlung von Nährstoffen in Wärme können sogar Herz-Kreislauferkrankungen und Diabetes vorgebeugt werden!
Leider ist das braune Fett bei den meisten Menschen nicht mehr oder nur noch ganz kümmerlich vorhanden. Durch unsere durchgehende Flucht vor der Kälte wird das braune Fett gar nicht mehr gebraucht und vom Körper im Verlauf des Lebens immer mehr abgebaut.
Es gilt also, das braune Fett wieder zu aktivieren. Dies kann zum einen mit scharfem Essen gemacht werden, welches Capsinoide (bspw. in Chillis) enthält oder indem man sich regelmässig der Kälte aussetzt. So sollen, gemäss einer Studie von Norwegen, einige kurze, aber intensivere Kältereize, welche man beim Eisbaden erfährt, eine anregende Wirkung auf die Produktion von braunem Fett haben.
Nebst all diesen langfristigen Effekten gibt es auch einige Auswirkungen, die man schon von Anfang an bemerken wird.

Kurzfristige Effekte

Neben dem infiniten Coolness-Faktor und dem garantierten Wachmacher-Effekt bewirkt der kalte Schwumm ein massiver Adrenalinausstoss. Zudem werden noch Endorphine und entzündungshemmende Koritikoiden ausgestossen. Diese sollen besonders bei der Regeneration nach dem Sport eine positive Wirkung haben, weshalb Eisbaden dort oft eingesetzt wird.
Doch nicht nur für nach dem Sport lohnt es sich, sondern auch als Investition für den ganzen Tag. Durch das Adrenalin fühlt man sich euphorisch und voller Energie und die Endorphine (= endogenes Morphin; also vom Körper selbst hergestelltes Opioid) haben eine schmerzlindernde Wirkung, was ein Eisbad besonders für Personen mit chronischen Schmerzen sehr attraktiv macht.
Geht man also am Morgen schon in das kalte Wasser, sollen die Effekte noch einige Stunden danach anhalten. Persönlich kann ich dies nicht gross bestätigen, aber das variiert von Person zu Person.
Einige Regeln zum Schluss, für diejenigen, deren Neugier für das Winterbaden geweckt wurde:

«Über den Kopf, Hände und Füsse verliert man am meisten Wärme. Viele Menschen halten deshalb ihre Hände über das Wasser.»

 

Gehe nicht zu lange! Je nach Wassertemperatur und Erfahrung, so lange wie man sich wohlfühlt, aber nicht länger als die Wassertemperatur in Grad Celsius in Minuten.
Über den Kopf, Hände und Füsse verliert man am meisten Wärme. Viele Menschen halten deshalb ihre Hände über das Wasser.
Gehe nie allein! Du weisst nie, wie dein Körper reagieren wird. Und es macht auch mehr Spass mit Freunden und Freundinnen.

Und vielleicht sieht man sich ja schon nächstes Jahr beim Zibeleschwümme in Bern!

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