Der andere Blick am Abend

Fans übten harsche Kritik am Film «Joker 2: Folie à Deux», da er für sie nichts anderes als eine grosse Enttäuschung war. Diese Rezension soll alles richtigstellen, nur um am Ende doch zur selben Einsicht zu gelangen. (Achtung: Spoilerwarnung!)
Der erste Joker Film war ein gigantischer Erfolg, eine Fortsetzung hätte niemand erwartet. Bis zu dem Tag, an dem Joker zu Teil 2 seiner Show ins Kino geladen hat.
Im ersten Film haben wir erlebt, wie Arthur Fleck, geplagt von der Gesellschaft und seinen mentalen Problemen, ein Alter-Ego namens Joker kreiert und schliesslich einen Talk-Show Moderator vor laufender Kamera erschiesst. Die Entstehungsgeschichte von Joker endete mit einem grossen Knall und es schien, als hätte Joker eine Revolution der Unterschicht losgetreten. «Joker 2: Folie à Deux» überraschte, denn man durfte erwarten, Joker in all seinen Facetten und seinem Hang zu Chaos und Zerstörung zu sehen. Ganz einfach, weil Joker spätestens seit Heath Ledger genau dafür steht: Verrückte Anarchie. Doch hier stand kein Joker, der sich über alle Regeln hinwegsetzt, unantastbar ist und zum König von Gotham aufsteigt, während andere Charaktere aus dem Batman-Universum hie und da einen Gastauftritt bekommen sollen, bei denen man als Zuschauer*in wieder nostalgische Gefühle empfinden darf. Die Erwartungen an die Fortsetzung waren, dass diese Legende so weitererzählt wird. Es kam anders. Statt Joker bekamen wir Arthur Fleck zu sehen, den Menschen dahinter. Zusätzlich wurde Joker 2 als Musical wahrgenommen. Für diese Eigenheiten hagelte es harsche Kritik. Viele fühlten sich betrogen, was zu einem 33% Score auf Rotten Tomatoes führte (schlechter als Sharknado 3). Der Film sei eine einzige grosse Enttäuschung, so das Fazit der Kinobesucher*innen.
Alle wollten Joker sehen. Niemand wollte Arthur Fleck sehen, so als wäre er nur Schmutz auf der Kameralinse.
Diese Filmrezension soll weder in deren Chor einstimmen noch eine Lobeshymne sein. Sie soll die Gründe für die enorme Enttäuschung ergründen. Was gezeigt wurde, war kein Antiheld, der Schwierigkeiten überwindet und am Ende seine Ziele erreicht. Man konnte keine Freude empfinden, als Arthur Fleck tiefer und tiefer in ein Loch ohne Boden fiel. Man fühlte lediglich eine stumpfe Enttäuschung darüber, dass der sogenannte Joker ein Mensch ist, wie wir alle auch. Der Film zeigte keine Legende. Alle wollten Joker sehen. Niemand wollte Arthur Fleck sehen, so als wäre er nur Schmutz auf der Kameralinse. Vom grossen Joker hat man lediglich den in die ernüchternde Realität geworfenen Schatten zu sehen bekommen. Die Enttäuschung war geboren. Aber die Enttäuschung äussert sich dadurch, dass uns die Illusion genommen wurde, dass man sich über alle erheben und Ungerechtigkeit einfach mit einem Fingerschnippen aus der Welt schaffen kann. Wir wollten getäuscht werden, doch uns wurde die Realität gezeigt. So gesehen kann man ruhig zustimmen: der Film ist eine Enttäuschung.
Text: Jannick Teixeira
Illustration: Pierina Westermann