Alles soll teurer werden – auch die Bildung

22. Dezember 2024

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Im Sommer spricht sich der ETH-Rat für eine Vervielfachung der Studiengebühren aus. Im September folgt auf nationaler Ebene die Forderung zur schweizweiten Verdoppelung der Gebühren. In Bern befindet der Grosse Rat im Dezember über eine Erhöhung. Um die Chancengleichheit im Bereich der Bildung steht es schlecht.

Verdreifachung der Gebühren an der ETH 

Die Studiengebühren der ETH und der EPFL sollen sich für Bildungsausländer*innen [1] verdreifachen. Dafür hat sich der ETH-Rat im vergangenen Juli ausgesprochen. Zusätzlich sollen alle Studiengebühren an den Landesindex der Konsumentenpreise gekoppelt werden, um einer Entwertung der Einnahmen aus den Studiengebühren durch die Teuerung entgegenzuwirken. Mit diesem Vorhaben gibt der ETH-Rat, nachdem er sich im März zuerst noch gegen eine Erhöhung aussprach, schliesslich doch dem Druck vonseiten des Eidgenössischen Parlaments nach, welches die Erhöhung der Gebühren an der ETH gefordert hatte. Die Änderung soll bereits im Herbstsemester 2025 für alle neuen Studierenden in Kraft treten.

Die Studienorganisationen der ETH Zürich (VSETH) und der EPFL (AGEPoly) sind gegen dieses Vorhaben. Der VSETH verkündet nach der Ankündigung des ETH-Rats auf seiner Webseite, er werde sich gegen den Entscheid «lautstark wehren», weil für viele ein ETH-Studium unter den vorgesehenen Bedingungen nicht mehr möglich sein werde.

Der definitive Entscheid des ETH-Rates steht bei Redaktionsschluss noch aus. Er wird nach einem Konsultationsverfahren am 4. oder 5. Dezember dieses Jahres gefällt.

Knappes Nein in Bern 

An der Universität Bern kostet ein Semester derzeit 750 Franken, sofern das Studium in der Regelzeit abgeschlossen wird. Bildungsausländer*innen bezahlen 200 Franken mehr.

Dass die Höhe der Studiengebühren für Studierende der Universität Bern nicht in Stein gemeisselt ist, zeigen eine ganze Reihe politischer Vorstösse auf kantonaler Ebene.

Im vergangenen September wurde eine Koppelung der Studiengebühren an die Teuerung im Grossen Rat mit 75 zu 74 Stimmen bei zwei Enthaltungen nur haarscharf abgelehnt. Dass der Vorstoss verworfen wurde, war nicht zuletzt dem erfolgreichen Lobbyismus der beiden SUB-Vorstände Tim Röthlisberger und Sandro Arnet zu verdanken.

Der Vorstoss zur Koppelung der Studiengebühren an die Teuerung vom September stammte von Samuel Krähenbühl. Der SVP-Grossrat ist mit seinem Vorhaben, an den Studiengebühren zu schrauben, jedoch nicht allein. Kaum war der Vorstoss im September versenkt, lag schon ein neuer auf dem Tisch. Anfangs Dezember soll im Grossen Rat des Kantons Bern die Aufgaben- und Finanzplanung 2026-2028 genehmigt werden. Bei dieser Gelegenheit will die Finanzkommission des Grossen Rats per Planungserklärung die Studiengebühren für Bildungsausländer*innen an der Universität Bern, an der Pädagogischen Hochschule Bern und der Bernischen Fachhochschule analog zum Vorhaben der ETH verdreifachen.

Im Sinn einer «Verursachergerechtigkeit» sollen die bernischen Hochschulen zudem die Studiengebühren sämtlicher Student*innen erhöhen, «um einen angemessenen Beitrag an die steigenden Kosten dieser Institutionen zu leisten».

Der Vorstand der SUB lobbyierte im Grossen Rat auf Hochtouren gegen dieses Vorhaben. Zusammen mit der Vereinigung der Studierenden Pädagogische Hochschule Bern (VdS) und dem Verband der Studierendenschaft der Berner Fachhochschule (VSBFH) äusserte sich die SUB am 25. November in einer öffentlichen Stellungnahme zudem dezidiert gegen das Vorhaben.  Die kantonalen Jungparteien JUSO, Junge Grüne, Junge Grünliberale, Die Junge Mitte und Jungfreisinnige teilen die ablehnende Haltung der Berner Studierendenorganisationen.

Das Thema scheint vielen Politiker*innen ein Anliegen zu sein. Das Stichwort «Studiengebühren» ergibt in der Geschäftssuche auf der Webseite des Grossen Rates Bern über 100 Treffer. Dass die meisten dieser Geschäfte keine Senkung der Gebühren zum Ziel hatten, liegt auf der Hand.

Druck von nationaler Seite

Der Vorstoss von Samuel Krähenbühl wurde zwar abgelehnt und bei Redaktionsschluss ist noch offen, ob die beiden Planungserklärungen der Finanzkommission des Grossen Rates angenommen werden. Aufatmen können die Studierenden der Universität Bern aber ohnehin nicht. Auch von nationaler Seite besteht Druck.

Die vom Bund eingesetzte Expertengruppe zur Aufgaben- und Subventionsüberprüfung hat im September über 60 Sparmassnahmen zur Einhaltung der Schuldenbremse vorgestellt.

Der Sparhammer soll auch die Studierenden treffen. Die Expert*innen finden, Studierende sollen sich an der Finanzierung der ETH, der EPFL und der kantonalen Universitäten und Fachhochschulen stärker beteiligen. In der Konsequenz sollen die Studiengebühren drastisch erhöht werden. Konkret sollen inländische Studierende an kantonalen Hochschulen doppelt und ausländische Studierende viermal so viel bezahlen wie bis anhin. Im Ausmass der dadurch realisierbaren Mehrerträge sollen die Beiträge des Bundes an die kantonalen Hochschulen gekürzt werden.

Einsitz in der von Serge Gaillard geleiteten Expertengruppe zur Aufgaben- und Subventionsüberprüfung nahm auch Aymo Brunetti, der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bern ist. Auch Serge Gaillard ist im Kompetenzzentrum für Public Management (KPM) der Universität Bern als Lehrbeauftragter an der Universität Bern tätig.

Zugang zur Bildung würde erschwert 

Die von verschiedenen Seiten geforderte Erhöhung der Studiengebühren dürften auf den Finanzhaushalt der Universitäten einen minimen positiven Effekt haben. Im Jahr 2023 machten die Studiengebühren nur gerade 2,14 Prozent der Finanzierung der Universität Bern aus. Für die Studierenden hätte die Erhöhung hingegen weitreichende Folgen: Viele wirtschaftlich schlechtergestellte Familien könnten das Studium eines oder mehrerer Kinder nicht mehr finanzieren.

Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass der Zugang zur Bildung durch die Erhöhung der Studiengebühren erschwert würde. Aus diesem Grund bezeichnet auch der Schweizer Gewerkschaftsbund den Vorschlag der Expertengruppe zur Aufgaben- und Subventionsüberprüfung als inakzeptabel.

Viele Studierende stehen durch die konstant steigenden Lebenshaltungskosten bereits jetzt unter einem stetigen hohen finanziellen Druck. 50 Prozent der Befragten der SUB Umfrage 2023 stimmten darum der Aussage, «Ich benötige mehr finanzielle Unterstützung», teils oder vollkommen zu.

Durch eine Erhöhung der Studiengebühren würde sich die finanzielle Not vieler Studierenden zuspitzen. Dies nicht zuletzt, weil das Studium mit der Begleichung der Studiengebühren noch lange nicht finanziert ist. Zu den Studiengebühren kommen eine Anmeldegebühr von 100 Franken zu Beginn des Studiums und in gewissen Fächern Prüfungsgebühren hinzu. Je nach Studiengang fallen zudem hohe Kosten für Literatur und oder Gesetzestexte an. Auch Erwerbsausfälle während unbezahlten obligatorischen Vollzeitpraktika sind ein Problem. Damit sehen sich etwa Studierende der VetSuisse-Fakultät konfrontiert. Die SUB-Seiten der bärner studizytig berichteten in der 34. Ausgabe der bärner studizytig vom Dezember 2023.

Für viele Studierende gibt es zur Bewältigung der steigenden Lebenshaltungskosten und vielleicht bald auch Studiengebühren, wollen sie sich nicht verschulden, keine andere Lösung, als mehr zu arbeiten. Das wiederum schlägt sich nicht selten in einer Verlängerung der Studienzeit nieder. Für den Staat kann dies Mehrkosten verursachen. Die Erhöhung der Studiengebühren wäre aus dieser Perspektive somit ein finanzpolitischer Irrtum.

Nicht nur für den Staat, sondern auch für die Studierenden kann es teuer werden, wenn sich das Studium in die Länge zieht. Für Langzeitstudierende [2] kostet das Semester 1’500 Franken im ersten Semester der Überschreitung. Die Gebühr verdoppelt sich für jedes weitere Semester. Ausnahmen sind vereinzelt möglich.

Auch den Fachkräftemangel, der seit Monaten Schlagzeilen macht, würde die Erhöhung der Gebühren womöglich verstärken. Angesichts der teils schwer bewältigbaren Kosten, die mit dem Studium einhergehen, werden sich junge Menschen allenfalls gegen ein Hochschulstudium entscheiden.

Motion fordert stärkeren Fokus auf Studiengebühren

Aus den genannten Gründen wehrt sich auch die Studierendenschaft der Universität Bern (SUB) gegen die Erhöhung der Studiengebühren. Sie ist nicht nur gegen eine Erhöhung, sondern langfristig auch für die Senkung und die gänzliche Abschaffung der Gebühren.

Die SUB ist nicht nur gegen eine Erhöhung, sondern langfristig auch für die Senkung und die gänzliche Abschaffung von Studiengebühren.

In der Stellungnahme gegen die beiden Planungserklärungen der Finanzkommission des Grossen Rates argumentieren die SUB, die VdS PHBern und der VSBFH zudem, im schweizweiten Vergleich befänden sich die bernischen Hochschulen bereits jetzt im oberen Mittelfeld. Die Attraktivität des Bildungs- und Forschungsstandorts Bern dürfe nicht an einer Studiengebührenerhöhung leiden.

Das Soziale Forum (SF) reichte bereits im vergangenen April im Studierendenrat der SUB eine Motion ein, die einen stärkeren Fokus auf die Problematik der Studiengebühren zum Ziel hatte. Die Motion forderte die Aufnahme der Senkung der Studiengebühren und die Ausweitung der Stipendien in die Jahresziele und ein Podiumsgespräch zum Thema. Vertreten wurde der Vorstoss durch Marc Läderach und Livia Meyer (SF).

«Für Personen des unteren Mittelstandes, die an der Stipendiengrenze knapp vorbeigehen, können Studiengebühren eine grosse Belastung darstellen.», begründet Marc Läderach die Motion auf Anfrage. Der Student spricht aus Erfahrung. Seine Eltern haben nicht studiert und helfen ihm und seiner Schwester, das Studium zu finanzieren. Für seine Familie wäre die Erhöhung der Studiengebühren eine Mehrbelastung.

Auch Livia Meyer stammt aus einer Mittelstandsfamilie, die nicht sonderlich wirtschaftlich privilegiert ist. Das Studium finanziert sie selbständig, weshalb ihr die steigenden Lebenshaltungskosten Kopfschmerzen bereiten. Wenn die Studiengebühren nun auch noch steigen sollten, wäre das für sie kaum bewältigbar.

«Wir als SF wollen dem Druck auf die Studiengebühren begegnen, indem wir die Gesellschaft für die hohe finanzielle Belastung Studierender sensibilisieren», so Läderach. Das Thema Studiengebühren müsse breiter gedacht werden. Mit einer Erhöhung der Studiengebühren müsse zum Beispiel zwingend eine Ausweitung der Stipendien einhergehen.

«Das Thema Studiengebühren muss breiter gedacht werden.»  – Marc Läderach

Langfristig sei das Ziel des SF, die Studiengebühren ganz abzuschaffen, so Meyer. Ein Studium sollte im Idealfall nur durch Steuergelder finanziert werden. So würde die finanzielle Belastung sinnvoll verteilt: Während des Studiums fallen Studierende dem Staat zur Last, nach dem Studium verdienen sie aber in der Regel überdurchschnittlich viel und bezahlen somit auch mehr Steuern. «In Skandinavien gibt es diverse Länder, die für die meisten Studiengänge komplett auf Studiengebühren verzichten. Das wäre auch der richtige Weg für die Schweiz», so Läderach.

VSS sieht Chancengleichheit in Gefahr 

Auch der Verband Schweizer Studierendenschaften (VSS) vertritt seit vielen Jahren eine ablehnende Haltung gegenüber Studiengebühren. In einem Positionspapier weist der VSS darauf hin, dass Erhöhungen von Studiengebühren «eine Manifestation der Tendenz, die öffentliche höhere Bildung in der Schweiz schrittweise zu liberalisieren, zu privatisieren und einen Bildungsmarkt zu schaffen», sei.

Besonders die Chancengleichheit sieht der VSS durch die Erhöhung von Studiengebühren gefährdet. Im Bereich der Hochschulbildung bedeutet Chancengleichheit gemäss VSS, dass die Maturität oder ein vergleichbarer Vorbildungsausweis ausschliessliches Kriterium darüber sein dürfe, ob eine Person eine Ausbildung im Bereich der höheren Bildung beginnen könne. Demgegenüber stellen Studiengebühren gemäss dem VSS eine unzulässige Vorselektion und eine Selektion während des Studiums dar. Junge Menschen werden durch die Gebühren vom Studium abgehalten oder sehen sich gezwungen, das Studium aus wirtschaftlichen Gründen abzubrechen. Und das unabhängig davon, ob sie für das Studium geeignet und motiviert wären. Dadurch werde die Chancengleichheit sozial schlechter gestellter Menschen beeinträchtigt.

Wenig überraschend weist der VSS den Vorschlag der Expertengruppe des Bundes scharf zurück.

Bildung als Grundstein der Demokratie 

Auch aus völkerrechtlicher Sicht ist der Vorschlag zur Erhöhung der Studiengebühren abzulehnen. Gemäss dem durch die Schweiz ratifizierten Uno Pakt I über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte erkennen die Vertragsstaaten an, dass der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermassen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss. [3] Daraus geht unmissverständlich hervor, dass die Hochschulbildung in der Tendenz unentgeltlich sein sollte. Eine Erhöhung der Studiengebühren läuft dem diametral zuwider.

Bildung ist nichts Geringeres als der Grundstein der Demokratie. Schranken, zu denen insbesondere Studiengebühren gehören, sind zweckwidrig und daher abzulehnen.

Noch ist nichts verloren

Die Studiengebühren drohen erhöht zu werden. Von der durch die SUB angestrebten Unentgeltlichkeit des Studiums sind wir weit entfernt. Trotzdem besteht noch Hoffnung.

Der VSS plant verschiedene Massnahmen, um die vom Sparbericht Gaillard geforderte Erhöhung der Studiengebühren zu verhindern.

Am 25. November wurde eine Petition lanciert, die aufzeigen soll, dass die Schweiz die Massnahmen der Sparkommission nicht gutheisst.

Ende Januar beginnt ausserdem die Vernehmlassung der Vorlage zum Sparbericht. Die Vernehmlassung will der VSS nutzen, um den Widerstand gegen die Sparmassnahmen, insbesondere im Bereich der Bildung, sichtbar zu machen. Weiter will der VSS mittels verschiedener Aktionen so viel Medienaufmerksamkeit auf das Thema lenken, wie möglich.

Zudem plant der VSS eine Protestaktion, an der sich Studierende gegen die ungerechte Kürzung wehren können.


[1] Gemäss dem Bundesamt für Statistik sind Bildungsausländer*innen Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die im Ausland wohnhaft waren, als sie ihren Hochschulzulassungsausweis erwarben.

[2] Als «Langzeitstudierende» gelten Studierende ab dem 13. Semester, die bis dahin keinen Abschluss erlangt haben.

[3] Art. 13 Abs. 2 lit. c Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.

text: noëlle schneider
illustrationen: yema salzmann

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Dieser Beitrag erschien in der bärner studizytig #38 Dezember 2024

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