Die Schlacht bei Sempach – Grundstein einer freien Eidgenossenschaft

Schlacht bei Sempach

Schlacht bei Sempach. Bild:

05. Oktober 2015

Von und

Im Frühjahr 2015 lanciert die Junge SVP die Schriftreihe «Geschichte im Brennpunkt». Die erste Ausgabe der Serie handelt von der Schlacht bei Sempach und soll als Geschichtslehrmittel für Schulen dienen.

Eng aneinandergereihte, in Harnische gepackte Soldaten halten Speere in die Luft. Leichen säumen den Boden. Inmitten der erhobenen Speere thronen die Fahnen der Konfliktparteien: die Habsburger auf der einen Seite, die Eidgenossen, mit den Wappen der beteiligten Kantone – Uri, Schwyz, Unterwalden und Luzern – auf der anderen. Im Zentrum des Bildes steht die Schlacht-ikone Arnold von Winkelried, der sich todesmutig in die Lanzen der gegnerischen Frontkämpfer stürzt.

Schlechte Kenntnis der Schweizer Geschichte

Diese Szene, die einem Gemälde aus dem Jahre 1513 entstammt, kleidet das Cover der Broschüre «Schlacht bei Sempach – Grundstein einer freien Eidgenossenschaft». Herausgegeben wurde das Geschichtslehrmittel von der Jungen SVP (JSVP) im Rahmen ihrer im Frühjahr 2015 lancierten Schriftreihe «Geschichte im Brennpunkt». Im Vorwort erklärt Anian Liebrand puttygen ssh , Präsident der JSVP, das Motiv seiner Partei: Viele Schweizerinnen und Schweizer – insbesondere Junge – wüssten oftmals nicht mehr, worum es bei der Schlacht bei Sempach eigentlich ging. Dies liege mitunter daran, dass die Schweizer Geschichte seit einigen Jahren Schritt für Schritt aus dem Schulunterricht verdrängt würde.

Von 1291 bis heute

Diesem Umstand will die Partei mithilfe der 27 Seiten dünnen Broschüre entgegenwirken. In sechs Kapiteln erklärt die anonyme Autorenschaft, welche gemäss Liebrand aus geschichtsinteressierten Personen der JSVP und einigen anerkannten Historikern bestehe, die Geschehnisse rund um die Schlacht bei Sempach sowie die Schlacht selbst. Beginnend beim Rütlischwur, wird das Bild einer wachsenden Eidgenossenschaft gezeichnet, die im Zuge des habsburgischen Machtstrebens mehr und mehr Allianzen schmiedete. Die dem starken Expansionsdrang der Eidgenossen geschuldeten Spannungen entluden sich schliesslich bei der Schlacht bei Sempach, deren detailliertem Ablauf ein eigenes Kapitel gewidmet ist. In den ersten fünf Kapiteln gelingt es der Autorenschaft dabei ein neutrales und nüchternes Bild der damaligen Sachlage zu vermitteln.

Auch unternimmt die Broschüre einen Abstecher in die Gegenwart. Das sechste Kapitel widmet sie der jährlich stattfindenden Schlachtfeier. Erst singt das Autorenkollektiv quasi ein Loblied auf die Feier («Voller Demut und Stolz schlossen sich die Teilnehmer jeweils dem Gedenkumzug an, sei es in zivil oder liebevoll verkleidet»). Dann bemängelt sie deren Neuausrichtung, die der Luzerner Regierungsrat 2010 mit Blick auf die «verpolitisierte Atmosphäre» beschloss. Seit der Jahrtausendwende ist die Schlachtfeier nämlich Bühne der politischen Auseinandersetzung zwischen Rechtsextremen und linken Demonstrierenden geworden.

Politische Werbung

Noch im März kritisierte Liebrand die vermeintlich links-ideologisch geprägte Schweizer Geschichtsschreibung scharf. In der Folge war zu erwarten, dass das hauseigene Lehrmittel der JSVP diesem Umstand entgegenwirkte und keine Form der politischen Indoktrinierung beinhaltete. Doch dem ist nicht so.

Insgesamt ist am unteren Rand der Seiten viermal politische Propaganda eingestreut. Dabei stehen allen Inserenten Mitglieder der SVP oder deren Jungpartei vor. So auch dem Parteiunabhängigen Informationskommitee PIKOM, das in der Broschüre damit wirbt «über die wahren Fakten im Bereich der Ausländerpolitik zu informieren». Einen ähnlich Ton schlägt die Schweizerzeit an: «Sempach ist heute! Die Schweiz kämpft auch heute wieder gegen ihre Unterwerfung – durch die EU.» Zweifelsohne handelt es sich bei den Inseraten um beispiellose Deplatzierungen, da die Broschüre als Lehrmittel für Schulen dienen soll und nicht zur politischen Stimmungsmache.

In gleichem Masse ideologisch gefärbt präsentiert sich auch der letzte Teil der Broschüre. Dies zeigt sich darin, dass die Autorenschaft mit keinem Wort die teils krass rechtsextreme Gesinnung derjenigen erwähnt, die jährlich an der Sempacher Gedenkfeier teilnehmen. Regelmäs-sig vertreten ist beispielsweise die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS). Philippe Eglin, ehemaliger Präsident der PNOS Basel, verglich in seiner Rede zur Schlachtfeier im Juli 2012 die «Masseneinbürgerung» von Ausländern mit «einer Ratte». Werde diese Ratte in einem Hühnerstall aufgezogen, so werde sie weder ein Huhn, noch lerne sie Eier zu legen. Ein kulturfremder Ausländer könne niemals Schweizer werden.

Womöglich bereits im Einsatz

Taugt die Broschüre also als Geschichtslehrmittel? Kurz und knapp: nein. Der Inhalt ist bei weitem zu politisch. Es grenzt an Zynismus, dass ausgerechnet die vorliegende Broschüre, die laut JSVP aus dem Gedanken entstanden sein soll, einen «Kontrapunkt zu links-ideologischer Geschichtsschreibung zu setzen», einen eindeutigen Versuch darstellt, rechtes Gedankengut an Schülerinnen und Schüler zu bringen.

Dass an einzelnen Schulen bereits mit dem Lehrmittel der JSVP unterrichtet wird, ist nicht auszuschliessen. Laut Liebrand sind bei der JSVP auch Bestellungen von Schulen und Lehrpersonen eingegangen. Sowieso sei die Startauflage von 2500 Stück schnell vergriffen gewesen. Erwin Sommer von der Erziehungsdirektion des Kantons Bern bestätigt, dass für das Fach Geschichte kein Lehrmittelobligatorium besteht. Gut möglich also, dass die Broschüre der JSVP bereits ihren Weg in die Klassenzimmer gefunden hat.

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