«Säg dine Fründe, dini Heude si zrügg!»
Plastikpalmen zieren das Albumcover von Migo & Buzz. (Bild: zvg)
Diesen Freitag erscheint das neue Album von Migo & Buzz. Drei studizytig-Autor*innen haben schon mal reingehört.
Letztes Jahr sorgte der Berner Rapper Migo für ordentlich Output: Ein Album mit der Chaostruppe, ein Album mit Produzent Buzz und Rapper Iroas sowie ein Mixtape und ein Album mit der Formation «Fischermätteli Hood Gäng». Dieses Jahr war ausser zwei Singelauskopplungen mit Video und einigen Featurings wenig zu hören von Migo. Doch diesen Freitag erscheint nun mit «Warte uf ds Meer» das erste Soloalbum von Migo & Buzz. Die beiden arbeiten schon lange zusammen und erlangten durch die Mixtapetrilogie «Partys im Blauliecht» zuerst in Bern, dann in der gesamten Rapszene der Schweiz Bekanntheit.
Beim Blick auf die Tracklist von «Warte uf ds Meer» fallen einige alte Bekannte auf: Die Songs «Lorraine» und «Defensivi Architektur» sind schon etwas älter und bereits vor über einem Jahr als Single erschienen. Auch die Featuregäste Iroas und Sophie werden eingefleischten Fans schon von diversen Projekten bekannt sein. Daneben bietet das Album neue Tracks und neue Gäste. Drei unserer Autor*innen haben sich das Album angehört und bewerten es aus unterschiedlicher Perspektive.
Raus aus dem Underground?
Bei Migo & Buzz-Tracks sind Songtexte über ihre vielen Releases und deren fehlenden finanziellen Anreiz fast schon Programm. Doch scheint der “Underground”-Status in diesem Album weniger zelebriert als in den Vorhergegangenen. Migo & Buzz haben auf diesem Album keineswegs ihren Sinn für Ironie verloren – und doch scheint ein erhöhtes Mass an Ernsthaftigkeit spürbar. Während sie noch vor einigen Jahren besangen «Wär si dr Migo u dr Buzz, sött mä die kenne? / äuä mann. Mir sy o nid duurend uf Beachtig us / mach ds du / mir kakke druf», wird im neuen Album der Mangel an Anerkennung für ihre Arbeit ernsthaft aufgenommen in Lines wie: «I verdiene nit guet, drum isch Zit für mi tür / über 100 Lieder bis hüt»
Dieser Tenor war auch spürbar in den Gesprächen, die wir im Rahmen unseres Artikels Mula machä mit Mundart mit ihnen geführt haben. Alle Freude am Street-Cred beiseite: Projekte die wenigstens selbsttragend wären oder auch noch ein kleines Einkommen einbringen würden, wären der weitere Musikproduktion definitiv zuträglich.
Das Ganze wird dann aber, insbesondere auf Tracks wie «Flugangscht» auch wieder regelmässig auf die Schippe genommen: «Rap het mi letscht jahr drü monat lang ernährt, sorry aber caaash», «Ds einzige wo mir leiste isch Widerstand» oder auch «Ig finde gfaue am gfaue». Wie wird sich wohl ein nächstes Album mit dieser Problematik auseinandersetzen, sollte dieses Release ein grosser Kommerzieller Erfolg werden? Ob die Radiomoderatoren, die auf «Mache» als Selbstdarsteller bezeichnet wurden da mithelfen, ist jedoch fraglich. anb
Zwischen Resignation und Blick nach vorn
Das Cover geziert von Palma de Mallorca aus blauschlauchigen Plastikpalmen verbildlicht das Fernweh der Songs mit einer gewissen Resignation. So trifft die in manchen Lines geschilderte Aussichtslosigkeit die Ader der Zeit. Insgesamt ist der Tenor eher düster und melancholisch, doch es finden sich auch einige sonnigere Beats und das Vertrauen in die eigenen Qualitäten glimmt besonders im Titeltrack «Warte uf ds Meer» auf. Auch «Mache» führt den Blick nach vorn, vorbei an Menschen, die nur ihrer «Waschmaschine von ihrem Tag erzählen» und pflanzt ein bisschen «Anarchie im Garten Eden». Das neue Album ist der perfekte Begleiter für eine Fahrt mit dem Sächsi-Tram durch die Tristesse eines erdunkelnden Dezemberabends. lil
Weniger Ironie, mehr Verletzlichkeit
«Warte uf ds Meer» ist ein klassisches Migo & Buzz-Album. Insofern birgt es auch keine grossen Überraschungen. Die Beats von Buzz kommen mit gewohntem Klangbild daher und schaffen es mit den Synthie-Flächen, die richtige Mood zum Text zu liefern. Wie schon bei der «Partys im Blauliecht»-Trilogie und «Nachtblau» schafft es Buzz, dem Album einen eigenen Stil zu geben. Ab und an klingt es auch, als würden Motive aus älteren Projekten anzitiert, wie etwa am Ende des Tracks «Nid so schlimm».
Auch thematisch bewegt sich das Album auf gewohntem Terrain. Die Texte handeln vom Leben mit Idealen im Spätkapitalismus, von einer Identität zwischen Strasse und intellektuellen Diskursen und davon, Kunst zu machen, trotz aller Widrigkeiten des Marktes. So ist etwa «Mache» eine wunderschöne Ode an all jene, die auch ohne genügende Anerkennung der Mehrheitsgesellschaft weiterhin Kunst machen. Im Vergleich zu anderen Projekten ist in Migos Texten hier jedoch weniger Selbstironie anzutreffen und die politischen und gesellschaftskritischen Untertöne fallen weniger pointiert aus. Denn obwohl FHG schon immer das ironischere Projekt war, so finden sich beide Aspekte ausgeprägter in der «Partys im Blauliecht»-Reihe. Deren Absenz auf «Warte uf ds Meer» schafft dafür Raum für mehr Introspektion und Zweifel. So rappt Migo etwa: «Loufe zum Wylerhauebad mittere diffuse Erwartig / so Meteorit oder gheiends Klavier», und zeigt sich von einer sehr verletzlichen Seite. Insofern sind die Texte vielleicht auch reifer geworden.
Umso trotziger erscheinen dadurch die Battlerap-Elemente, die nach wie vor vorhanden sind, «Schribe di Parts wo di träffe, du hesch glich e Platte kouft / Mir gäh agschossni Rapper us der Sitelag Applous», rappt Migo beispielsweise. Und das in einem Flowpattern, das wunderbar mit der Hook von Emro harmoniert. Solche Flows dürfte Migo ruhig noch mehr auspacken, wie er es in anderen Projekten schon länger tut.
In a nutshell: Das Album bleibt dem typischen Sound von Migo & Buzz treu und doch ist erkennbar, dass sich das Rapduo entwickelt hat. Fett klingts eh, «Mängisch bruchts nid meh aus e Buzz-Beat / dass es krass wird.» nop