Sommermoment #14

Illustration: Lisa Linder

01. August 2021

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Wäre Produktivität eine olympische Disziplin, reichte es unserer Autorin sicher zu einer Medaille. Weil das nicht der Fall ist, übt sie sich stattdessen weiter im Langweilen.

Ich bin eine Karikatur meiner Generation. Selbst Prokrastination äussert sich bei mir durch Konsum von Videos zu Produktivität oder zu irgendwelchen gesellschaftsrelevanten Thematiken zu denen ich mich *hüsteln* gerne weiterbilden möchte.

Warum wohl lerne ich seit 112 Tagen Spanisch ohne je einen Tag zu verpassen und habe 17 Wochen 5/7 Tagen 1.5h Sport absolviert.

Mein Schlafrhythmus ist im Eimer – nicht etwa weil ich jung, wild und unverantwortlich die Nächte durchfeier’, sondern weil mein Körper den Lernphasenschlafrhythmus auch nach über einem Monat nicht aufgeben will. Selbst meine Mutter goutiert dies lediglich mit einem milden «es isch also scho fast zum Fürchte».

Kein Wunder versuchten bereits PR-Webseiten mir Profile als «Autorin» bei «bärner studizytig» zu erstellen (obwohl mir die Themenfelder «Forschung» und «Studenten» dann doch etwas zu trivial erschienen), mit diesem Sinn für Verantwortung erreicht mich die Mid-Life-Crisis wahrscheinlich bereits Anfang dreissig.

Dazu bin ich noch auf Partner*innensuche (fürs Salsa – nicht, dass es hier noch zu gröberen Missverständnissen kommen kann), welches hoffentlich seinen Normalbetrieb im nächsten Semester wieder aufnehmen kann. In anderen Worten: Ein Hoch auf die organisierte und strukturierte Freizeit. 20-Jährige der heutigen Zeit haben wohl schon mehr Selbsthilfebücher und Finanztippvideos intus als die gesamte Generation über 70 Jahren zusammen.

Beim Mittagessen wird noch schnell der Horizont erweitert: mit feministischen Podcasts über sexuelle Liberation, die mich zugleich auch vergessen lassen wie sich das Kratzen einer einzelnen Gabel auf einem Teller anhört. Das Langweilen will gelernt sein. Und als ewige Lernende des Lebens, ein weiteres wunderbares Sinnbild unserer Generation, bin ich versucht mich diesen Sommer dem Studium ebendieser Langweile und Stille zu widmen.

Nun lasst mich in Frieden den Punkt «einen Text für die bsz schreiben» auf meiner Sommer-To-Do-Liste abhaken, mir bleiben ja schliesslich nur noch etwa 15 Jahre, in der mich die Gesellschaft als «jung» kategorisiert. Des Weiteren habe ich noch mindestens 16 Punkte auf der Liste «Bern – 23 places to see before you die» aus der bsz #20 abzuklappern.

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