«In der Politik sind alle einmal Neulinge.»

02. März 2021

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Drei Semester VWL an der Uni Bern, ein Jahr beim Studierendenrat der SUB und ab 2021 ein Teil des Berner Stadtrats – So schnell kann es gehen. Muss es aber nicht, sagt Yasmin Abdullahi. Politisches Engagement gehe auch ungezwungen.

Florian Rudolph: Yasmin, du bist 22 und seit Januar im Berner Stadtrat. Fühlst du dich wie ein Star?
Yasmin Abdullahi: Lacht. Nein, überhaupt nicht. Ich freue mich, aber ich bin ganz und gar kein Star.

Aber eine versteckte Fähigkeit hast du schon, oder?
Wiederum nein. du brauchst nicht unbedingt Skills für politisches Engagement. Was zählt, ist das Interesse. Wenn du viel redest und argumentierst, dann kannst du das mit der Zeit auch einfach besser.

Das ist nicht angeboren?
Bei einigen Menschen glaube ich schon. Aber bei mir nicht. Ich musste das lernen und werde sicherlich noch viel dazulernen.

«Warum soll ich stillsitzen, wenn ich tatsächlich etwas verändern kann?»

Von wo kommt dein Wunsch, politisch aktiv zu werden?
Als ich in Südostasien reisen ging, war Nachhaltigkeit für mich ein grosses Thema. Ich sah Berge von Abfall. Da fand ich: Mit dem System, das wir in der Schweiz haben – die direkte Demokratie – ist es so einfach, sich einzusetzen und eine Stimme zu erhalten. Warum soll ich stillsitzen, wenn ich tatsächlich etwas verändern kann?

Und tatsächlich bist du dem Studierendenrat beigetreten. Wie kam’s dazu?
Ich habe mich ein wenig erkundigt und bin mit der JGLP (Junge Grünliberale Partei) der Uni Bern in Kontakt getreten. Bei einem Pastaplausch, den die JGLP regelmässig organisiert, habe ich mit den Leuten geredet und irgendwann sind wir auf den Studirat zu sprechen gekommen. Sie erzählten mir, das sei ein cooler Rahmen, um etwas an der Uni Bern zu bewegen und das politische System kennenzulernen. Als ein wenig später jemand zurückgetreten ist, konnte ich nachrücken.

Gab es etwas, das du nicht erwartet hast?
Dass es nicht nur um Politik geht, sondern auch um die gemütlichen Gespräche – normalerweise beim Apéro – nach den Sitzungen. Darauf wird viel Wert gelegt.

Habt ihr euch auch debattiert?
Ja. Es gab zum Beispiel eine Diskussion darüber, ob zukünftig alle Vorlesungen eine digitale Option haben sollten. Bei solchen Anträgen gibt es Argumente dafür und dagegen. Da hast du die Chance, Unentschlossene mit deiner Sichtweise zu überzeugen.

Für welche Anliegen hast du dich stark gemacht?
Die Uni hat beschlossen, bis 2025 klimaneutral zu sein. Da stehe ich voll und ganz dahinter. Ich finde es toll, dass wir an der Uni ein regionales Mensa-Angebot haben, aber der ganze Uni-Alltag soll nachhaltiger sein. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Studium, Chancengleichheit und der Erhalt von internationalen Austauschabkommen finde ich wichtig.

Hast du dich dazu ermächtigt gefühlt, Veränderungen anzustossen?
Gigantische Veränderungen eher nicht. Ich bin ja «nur» eine von vierzig. Aber wenn du mit anderen Parteien zusammen arbeitest, kannst du vieles erreichen. Und wenn du eigenständig einen Antrag erarbeitest, dann wird der im ganzen Studirat behandelt.

Gibts noch weitere Fährten, was hochschulpolitisches Engagement anbelangt?
Die politischen Gruppierungen kann man auch kennenlernen, ohne Teil des Studirates zu sein. Bei der JGLP zum Beispiel kann man ganz unverbindlich bei Events mitmachen. Auch bei den Fachschaften kann man sich engagieren.

Wie hast du dich für eine Partei entschieden?
Ich habe es davon abhängig gemacht, wie ich wähle. Aber der Studirat ist auch dafür da, um eine Partei zu finden. Ich habe mir gesagt, ich schau einfach mal, ob ich in die JGLP passe und ob sie für mich passt.

Hast du dir schon mal überlegt, in eine völlig andere Partei zu wechseln?
Nein, aber es wäre interessant. Ich glaube, ich könnte bei allen Parteien an der Uni ein Thema finden, das ich voll und ganz unterstütze. Ich finde, dieses Links-Rechts-Schema gibt es gar nicht mehr. Vielmehr geht es um Themen, wobei du in bestimmten Themen mit einigen mehr übereinstimmst als mit anderen.

«Kompromisse zu finden und zu akzeptieren, ist essentiell.»

Was ist deine wichtigste Studirat-Erfahrung?
Manchmal denkst du: «Dieses Ziel ist so wichtig!», aber alle anderen sind dagegen. Damit klar zu kommen und Kompromisse zu finden, ist essentiell. Es hilft auf alle Fälle, nicht zu stur zu sein und im Namen der Zusammenarbeit mal nachzugeben.

Hilft dir diese Erfahrung auch im Stadtrat?
Klar! Alleine hat man nicht so eine grosse Stimme, aber zusammen kann man viel erreichen.

Manche Stadträt*innen sind doppelt so alt wie du. Wie ist das für dich?
Schon speziell. Aber ich freue mich auch darüber. Ich finde es schön, dass der Stadtrat so zusammengestellt ist, wie er es jetzt ist – von jung bis alt und mit Frauen* und Männern. Dieses bunte Gemisch repräsentiert die Stadt am besten.

Wie viel Erwachsensein ist in der Politik gefragt?
Ich finde, das kann nicht an einem bestimmten Alter festgemacht werden. Ich kenne Menschen, die haben sich schon mit 14 Jahren engagiert und dadurch ein grosses, politisches Wissen erlangt. Andere haben noch mit 35 keine Ahnung davon. Du hast die Wahl, wann und ob du dich engagierst, aber wichtig ist: In der Politik sind alle einmal Neulinge.

Was kann die Jugend in der Politik beitragen, was ältere Personen nicht können?
Je nach Alter setzen wir unterschiedliche Themenschwerpunkte. Für uns Junge ist zum Beispiel das Thema AHV wichtig, weil es uns betreffen wird. Ältere Leute können davor die Augen besser verschliessen, da es – plump gesagt – nicht mehr ihr Problem ist. Das gleiche gilt für den Klimawandel. So sind die Prioritäten manchmal komplett anders. Aber wenn wir zusammen reden und Kompromisse suchen, finden wir Lösungen, die heute und morgen funktionieren.

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Bis zum 24. März 2021 kannst du hier wählen!

Was ist der Studierendenrat der SUB?
Der Studierendenrat bildet das Parlament und somit die Legislative der SUB. Die amtierenden Fraktionen können dort Anträge stellen und im Plenum besprechen. Danach stimmt das Parlament über die Anträge ab, welche dann als Handlungsaufforderungen an den SUB-Vorstand gehen. Die Anträge behandeln Themen von der Anzahl Mikrowellen an der Uni, über die Digitalisierung des Unterrichts, bis zu Gleichstellungsfragen.
Die 40 Ratsmitglieder gehören unterschiedlichen Fraktionen an. Momentan politisieren die Christliche Studierendenvertretung (W7), die Junge Grünliberale Uni Bern (JGLP), die Junge Grüne Uni Bern (JG), die Jungfreisinnige Uni Bern (JF), das Sozialdemokratische Forum (SF) und die Kritische Politik Bern (kriPo) im Studirat. Du als Kandidat*in der Studierendenratswahlen 2021 kannst entweder eine neue Fraktion bilden oder dich einer bestehenden Fraktion anschliessen. Gemeinsam bestimmen die amtierenden Fraktionen den Kurs der SUB und legen fest, für welche Themen sich die SUB gegenüber der Uni, dem Kanton und anderen Akteur*innen stark machen soll.

Die Wahlen finden jetzt statt!
Alle zwei Jahre finden Wahlen des Studierendenrates der SUB statt. Alle SUB-Mitglieder – was du als Studi der Uni Bern bist – können im e-Voting-Tool ihre Stimme abgeben. Bis zum 24. März 2021 kannst du online auf sub.unibe.ch deine bevorzugten Kandidierenden wählen. Eine Übersicht aller Kandidierenden und Fraktionen findest du auf unserer Webseite unter «Wahlen 2021».

text: florian rudolph

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Dieser Beitrag erschien in der bärner studizytig #23 März 2021

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