Gemeinsam gegen Rassismus
Privilegien benennen: Workshop mit Bettina Aremu und Sarah Owens im zweiten Teil des Abends. bild: stadt bern
Ende März wurde an einem Symposium an der UniS über Rassismus an Hochschulen diskutiert. Der Abend zeigte: Das Thema geht uns alle an. Und es ist höchste Zeit, darüber zu sprechen.
Ein bisschen Mut brauchte er schon, dieser Freitagabend an der UniS, der mit den Worten «Die Uni Bern hat einen blinden Fleck» eröffnet wurde. Natürlich, vielen der Anwesenden war diese Einsicht keineswegs neu. Neu war, dass das Thema von halbwegs offizieller Seite überhaupt thematisiert wurde.
Entsprechend gespannt war man bei der Organisatorin SUB auf den Anlass. Bereits im Vorfeld ploppte es Hass-Mails. Was der SUB eigentlich einfalle, nur Frauen aufs Podium einzuladen. Dass es «rassistisch» sei, einen separaten Empowerment-Workshop für People of Color* durchzuführen. Und dann standen da noch beleidigende Dinge, die wir hier nicht nennen möchten.
Es geht nicht bloss um Vorurteile
Den Anfang machte die Neurowissenschaftlerin Emily Ngubia Kessé von der Humboldt Universität Berlin. In ihrem Buch «eingeschrieben. Zeichen setzen gegen Rassismus an deutschen Hochschulen», dokumentierte sie eindrücklich, inwiefern Rassismus bis heute zum Alltag an deutschen Hochschulen gehört. Beispielsweise zeige er sich, wenn People of Color ständig gefragt werden, woher sie kommen. Oder, wenn ihnen aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Herkunft weniger zugetraut wird als ihren weissen Mitstudierenden. Im Einführungsreferat machte Kessé deutlich, dass es beim Rassismus nicht nur um bewusste Vorurteile oder Beleidigungen geht. Rassismus hat ebenso eine strukturelle Dimension, die ungleiche Machtverteilungen mit sich bringt. An der Uni äussere sich dies beispielsweise im Anstellungsverfahren: People of Color würden hier gegenüber weissen Mitarbeitenden benachteiligt. Zum Beispiel, wenn eine Anstellung Deutsch als Muttersprache voraussetzt, obwohl dies für die Tätigkeit nicht zwingend nötig wäre. Oder, wenn aufgrund komplexer Einreiseregelungen Menschen monatelang um ein Visum kämpfen müssen. Auch ihr eigenes Einreiseverfahren von Kenia nach Deutschland stellte für die Referentin ein grosses Hindernis dar: «Ich brauchte neun Monate, um ein Visum für Deutschland zu kriegen. Unter anderem musste ich dafür mehrere Referenzschreiben von Profs einholen. Solche Probleme stellen sich anderen nicht.»
«Wer hat Zugang zu bestimmten Räumen? Und wer wird davon ausgeschlossen?»
Deutlich wurde an diesem Abend auch, wie vielfältig Rassismus an Hochschulen ist. Podiumsteilnehmerin Zamzam Abdulcadir warf die Frage nach institutionellem Rassismus auf: «Wer hat Zugang zu bestimmten Räumen? Und wer wird davon ausgeschlossen? Wenn wir Diskriminierungen verstehen wollen, müssen wir uns diese Frage immer wieder stellen.» Allerdings müsse man nicht nur danach fragen, wer Zugang zu universitärem Wissen habe, ergänzte jemand aus der Runde. Ebenso wichtig sei die Frage, welche Autor*innen gelesen und zitiert werden: «Wenn Werke von Schwarzen Wissenschaftlerinnen im Einführungsstudium gänzlich fehlen, dann wird verschwiegen, welchen Beitrag diese Leute zum heutigen Wissen beigetragen haben. Solche Dinge prägen unser Bewusstsein und unseren Blick auf die Welt.»
Beim Abschlusspodium stand schliesslich die Frage im Raum, wie gemeinsam gegen rassistische Diskriminierung vorgegangen werden kann. Für People of Color schien wichtig, Räume zu eröffnen, wo man unter sich ist und gemeinsam über persönliche Rassismus-Erfahrungen sprechen kann. «Ich brauche Orte wie Bla*Sh, wo ich mich austauschen und Mut tanken kann, um mich für mich und andere Schwarze Menschen und People of Color einsetzen zu können», meinte beispielsweise Rahel El-Maawi vom Netzwerk Bla*Sh. Andere plädierten stärker für gemeinsame Perspektiven. Denn Rassismus sei nicht einfach das Problem von People of Color: «Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Wir sind alle davon betroffen, weisse ebenso wie nicht-weisse und wir müssen das gemeinsam lösen», erklärte Bla*Sh-Aktivistin Sarah Owens. Voraussetzung für eine gelungene Zusammenarbeit sei allerdings, dass sich auch weisse Personen inhaltlich mit dem Problem befassten. «Informiert euch! Nutzt eure Privilegien!», forderte Emily Ngubia Kessé gegen Ende des Podiums.
An Handlungsvorschlägen mangelte es nicht: Von der Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle über eine Quotenregelung für People of Color bis hin zur Gründung eines Instituts für Critical Race Studies wurde an diesem Abend alles diskutiert. Umgehend gegründet wurde immerhin eine Diskussions- und Lesegruppe, die sich auch in Zukunft mit Critical-Whiteness-Themen befassen will. Denn Rassismus lässt sich nur bekämpfen, wenn man hinschaut. Und ihn nicht länger ignoriert.
* Person of Color (PoC) ist eine selbstgewählte Bezeichnung von verschiedensten Menschen, die gegenüber der weissen Dominanzgesellschaft als nicht-weiss gelten und wegen ethnischer bzw. rassistischer Zuschreibungen vielfältigen Formen des Rassismus ausgesetzt sind. Demgegenüber bezeichnet weiss eine privilegierte Position innerhalb eines rassistischen Systems.
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Dieser Text erschien in der bärner studizytig #12 Mai 2018
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